Im Jahre 1883 kommt eine junge Frau nach Australien, die als Beruf Erzieherin angibt. Sie wurde in einem Dorf bei Dublin geboren, hat zwei kurze Ehen hinter sich. Die Frau, die nun Daisy Bates heißt, schlägt sich mit Zeitungsartikeln durch, und als die Regierung Helfer für ein Ansiedlungsprogramm der Aborigines sucht, bewirbt sie sich.
Aber die Hilfsprogramme der Regierung sind zeitlich begrenzt und verfehlen ihr Ziel, weil sie einer Nomadenkultur die Kultur der Seßhaften aufzwingen. Zudem zerstört der industrielle Raubbau die Lehens.-jUnd Umweltverhältnisse: der. Ein,-,, gebprenenderart, daß sie sich bald nicht menr selbst ernähren können “und“der Bettelei, Prostitution, Kriminalität zum Opfer fallen. Um die Jahrhundertwende sind viele der australischen Wüstenstämme ausgestorben, ihre Sprache, Sitten und Gebräuche verschwunden.
Angesichts solcher Kulturbarbarei beschließt Daisy Bates, sich selbst in die Wüste zu schicken und das Leben der Aborigines zu teilen. Auf eigene Faust, schlägt sie in von Gott und den Weißen verlassenen Gegenden ihr Zelt auf, um den verhungernden Schwarzen Essen auszugeben, ihre Krankheiten zu heilen und vor allem, um sie davon abzuhalten, der Zivilisation, der sie nicht gewachsen sind, zu begegnen. Ein Unternehmen, das dem Tropfen auf dem heißen Stein ähnelt. Unbeirrt läßt sich Daisy Bates auf das Leben der Ureinwohner ein - und wird, trotz der Strapazen, sehr alt, schreibt Wörterbücher der verschwindenden Sprachen, notiert Mythen und Bräuche, setzt unablässig (und erfolglos) Mahnschreiben an die Regierung und andere Institutionen auf. So wird sie »Kabbarli,
die weiße Großmutter«, zu der die Ureinwohner oft über Hunderte von Meilen pilgern.
Von der Regierung mit Argwohn verfolgt, weil sie die Aborigines nicht zu angepaßten Australiern machen will; von den kirchlichen Missionaren bekämpft, weil sie den Naturvölkern die Natur ihrer Religion belassen und sie nicht bekehren will, steht sie auf ihrem verlorenen Posten. Bis die Regierung die kleine Zufluchtsstätte mit Polizeigewalt auflösen läßt und Alter und Krankheit es ihr verwehren, sich zu wehren. Daisy Bates wird nach Adelaide verbracht (im übelsten Sinn des Wortes). Danach gibt es Zeugenaussagen und Dokumente, die von einer energischen alten Frau berichten, die auf der ! Stiche nach »ihren« Schützlingen durch die längst geräumten Reservate und Gegenden irrt, bis der Tod ihrer Suche ein Ende macht.
Dieser Lebenslauf wird dadurch noch aufregender und merkwürdiger, weil er von einer außergewöhnlichen Autorin beschrieben wird. Julia Blackburn versteht es »ein Gefühl dafür zu entwickeln«, was ihrer Hauptperson »gefallen haben könnte, was ihren Zorn weckte«. Die Fäden zu finden, »die sie in diese oder jene Richtung zogen«, das ist ihr überzeugend gelungen, zumal sie auch mit Kritik an der legendären Figur nicht spart und die Verbohrtheiten, Manien und Tricks der Daisy Bates nicht verschweigt. So ist die poetische Biographie einer entschlossenen Aussteigerin, einer unerbittlichen Idealistin entstanden. Bis zum Ende liest man sie gespannt, wenn man nur ihren Anfangssatz gesehen hat. »Es war einmal eine Frau, die lebte in der Wüste.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/631673.leben-in-der-wueste.html