Havanna hofft auf China

Zusammenarbeit wird deutlich vertieft

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Staatspräsident der Volksrepublik China, Hu Jintao, der zugleich Generalsekretär der Kommunistischen Partei ist, war in Begleitung von einem Dutzend Ministern und Vizeministern sowie einer beinah 100-köpfigen Unternehmerdelegation zwei Tage Gast der kubanischen Regierung. Was dabei herausgekommen ist, hat alle Erwartungen übertroffen.
Die Kubaner atmen auf. Das kann man tatsächlich derart verallgemeinern. Warum steigt die Volksrepublik China nicht größer bei uns ein, fragten sie sich schon lange. Die politischen Beziehungen sind exzellent. Auf internationalen Foren ziehen beide Länder am gleichen Strang. Der Handelsaustausch ist auf knapp 500 Millionen Dollar pro Jahr angewachsen. »Taktvoll und verschwiegen hat uns China während der schwersten Jahre der Sonderperiode unschätzbare Hilfe geleistet«, verriet Fidel Castro. Kuba wurde regierungsamtlich von Peking zum touristischen Ziel Nummer 1 für seine Bürger in Lateinamerika und der Karibik auserwählt. Es lieferte eine Million Fernsehgeräte. Kubaner bauen in Schanghai ein 5-Sterne-Hotel, die Chinesen eins in Havanna. Chinesische Fachleute sind hier in der Landwirtschaft tätig, vor allem im Reisanbau Aber beide Seiten betonten immer wieder, die Möglichkeiten seien längst nicht erschöpft. Die 16 Dokumente über Zusammenarbeit, die jetzt im Rahmen des Besuchs von Hu Jintao unterzeichnet wurden, haben den Weg für neue Projekte freigemacht. Alle Zweige der kubanischen Volkswirtschaft sind einbezogen: Erdöl, Biotechnologie, die Häfen, die Eisenbahnen, Volksbildung, Straßenbau, Landwirtschaft und Leichtindustrie, das Gesundheitswesen, Telekommunikation, Meteorologie, Informatik und Nickel. Beim Nickel wird nicht die Summe genannt, die China zu investieren gedenkt. Doch wenn festgelegt wurde, beide Regierungen würden eine neue Anlage mit 51 Prozent kubanischem und 49 Prozent chinesischem Kapital hochziehen, kann man wohl von einigen Hundert Millionen ausgehen. Die Volksrepublik ist der weltgrößte Produzent von nicht rostendem Stahl. Dazu wird Nickel gebraucht. Und Kuba verfügt über die größten nachgewiesenen Nickel- und Kobaltvorkommen der Welt, 800 Millionen Tonnen. Die Geologen meinen, dass es durchaus drei Mal so viele sein könnten. Die Mineralien werden aus drei Minen in der Ostprovinz Holguín im Tagebau gefördert und in drei Fabriken aufbereitet. Zwei sind zu 100 Prozent in der Hand des Staatsmonopols Cubaníquel, das in der dritten ein Joint Venture mit der kanadischen Sherritt International eingegangen ist. Die Anlagen sind veraltet, so dass die Jahresproduktion nur 75000 Tonnen beträgt, die außerdem in Kuba nicht endverarbeitet werden können. Das Land hat keine Raffinerie. Diese Lücke wird das chinesisch-kubanische Gemeinschaftsprojekt füllen, und 150000 Tonnen pro Jahr werden keine Utopie mehr sein. Nickel ist Gold wert. Die Preise sind seit langer Zeit hoch und stabil. So hoch, dass Kuba zum Beispiel im vergangenen Jahr die Verluste in der Zuckerrohrernte durch seine Nickelexporte ausgleichen konnte. Tourismus und Nickel sind Kubas kalkulierbare ökonomische Stützen, denn Zuckerrohr und Tabak können von einem einzigen Hurrikan ausgeschaltet werden. Sehr wichtig für Havanna ist auch jenes Dokument, in dem Kuba ein Zehnjahresaufschub für seine Zahlungsverpflichtungen aus vier zinsfreien Krediten zugesichert wird. 1997 schon hatten beide Länder eine »strategische Allianz« vereinbart, ohne dass deren Zielstellung je näher definiert worden wäre. Hus Besuch und seine Ergebnisse schaffen da Klarheit. Trotzdem: Jedes Volk müsse seine revolutionäre Strategie den konkreten Bedingungen seines Landes anpassen. Es gebe keine zwei sozialistischen Prozesse, die sich völlig gleichen. Jedes Land solle aus den besten Erfahrungen und den schwersten Fehlern des anderen lernen, sagte Fidel Castro, als Präsident Hu der höchste kubanische Orden verliehen wurde. Das heißt: Kuba hat nach wie vor nicht die Absicht, das chinesische Modell zu kopieren, obgleich »die beiden Nationen beispielgebend an den Idealen des Sozialismus festhalten«.
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