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Wo bald der Pfeffer wächst

Im vietnamesischen Cua-Hochtal wird ein Dorf aus dem vom Krieg vernarbten Boden gestampft. 65 Familien bauen sich hier ein neues Zuhause. ND-Leser können dabei helfen.

  • Ilona Schleicher
  • Lesedauer: 6 Min.
Wir sind unterwegs nach Cua, einem von Gebirgszügen umrahmten malerischen Hochtal in Vietnam südlich der Nationalstraße Nummer 9, die die Hauptstadt der Provinz Quang Tri mit der vietnamesisch-laotischen Grenze verbindet. Die Delegation des Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI) ist zum ersten Spatenstich zum Wiederaufbau von Con Trung eingeladen, dem dritten SODI-Dorf des Friedens und der Solidarität.
Auf der holprigen, unbefestigten Provinzstraße schaukeln wir bergan, und die Gedanken wandern drei Jahre zurück. Damals brachen in Cua nicht Bauleute den Boden um, sondern - mit allergrößter Vorsicht - Minenräumer. 40 junge Vietnamesen befreiten den Boden von Minen und Blindgängern. Sie wurden von zwei Spezialisten der von SODI beauftragten deutschen Firma Gerbera angeleitet.

Noch immer Schatten des Krieges
Der längst vergangene Krieg wirft noch immer dunkle Schatten über das Land. In der Nähe der Räumfläche kamen während der Arbeiten fünf Menschen bei Minenunfällen zu Tode, vier trugen schwere Verletzungen davon. Doch auf den 70 Hektar, die das deutsch-vietnamesische Team Zentimeter um Zentimeter säuberte, würden Bauern bald ohne Gefahr für Leib und Leben ihrer Arbeit nachgehen können. Hier sollte das im Krieg zerstörte Con Trung wieder aufgebaut werden, das dritte nach den Dörfern Phuong Coi und Tan Dinh/Ai Tu. »Die Hoffnung der Menschen auf Rückkehr und Neubeginn war ein großer Ansporn für uns«, erinnert sich Projektleiter Karl-Heinz Werther, ein ehemaliger NVA-Offizier.
Der Boden war hoch belastet, die Arbeit schwierig. »Dort, wo das alte Dorf stand, muss sich ein Munitionsdepot befunden haben, das die Amerikaner nach dem Pariser Friedensabkommen von 1973 mit Bomben belegten, damit es nicht in die Hände des Gegners fallen konnte«, vermutet Werther. Inzwischen breitet sich an dieser Stelle eine grasbewachsene Fläche aus. Planierraupen hatten das künftige Bauland eingeebnet und die Bombenkrater mit der roten basalthaltigen Erde, die das Cua-Tal so fruchtbar macht, aufgefüllt, der Bau der Dorfstraße und der Stromleitungen ist in vollem Gange.
Doch jetzt ruht die Arbeit. Die Baufahrzeuge sind an diesem späten Augusttag zur Begrüßung der Gäste in Reih und Glied aufgestellt. Auf ihnen klettern Kinder herum - heute setzt es keine Ermahnungen. Wir fahren an Menschen vorbei, die einem provisorisch hergerichteten Festplatz mit Bühne zustreben. Hunderte sind zu der feierlichen Zeremonie gekommen. Uns empfängt laute Musik aus dem Lautsprecher. Als Ruhe einkehrt, tritt eine Frau ans Rednerpult: Van Thi An, künftige Bewohnerin des neuen Dorfes, dankt im Namen der 65 jungen Familien, die Con Trung wieder aufbauen und hier leben wollen, für die solidarische Hilfe aus Deutschland und die Unterstützung durch die Provinzverwaltung. »Wir werden die Hilfe gut nutzen«, verspricht sie. »Unsere Familien wollen Hand in Hand arbeiten, damit das Dorf unserer Vorfahren neu entstehen kann.«
Ihre Eltern und Großeltern waren, wie die ihrer künftigen Nachbarn auch, während des Krieges vertrieben worden. Nun sind sie den Ahnen wieder nahe, auch wenn deren Gräber nicht mehr auffindbar sind. In Vietnam bedeutet dies auch für die jüngeren Generationen insbesondere der ländlichen Bevölkerung noch immer sehr viel.
Es ist kein Zufall, dass eine Frau die Zeremonie eröffnet. Frauen werden in Con Trung eine wichtige Rolle spielen, genau wie bei den vorangegangenen Vorhaben des integrierten Programms von SODI zur Minen- und Blindgängerräumung und zur Wiederansiedlung in der Provinz Quang Tri. Durch die vietnamesische Frauen-Union sind sie im Projektkomitee vertreten, neben den Vorsitzenden der Volkskomitees des Kreises und der Gemeinde, dem künftigen Dorfvorsteher und verschiedenen Experten. Die 1930 während des antikolonialen Befreiungskampfes gegründete vietnamesische Frauen-Union, die zur Vaterländischen Front Vietnams gehört, zählt heute 12 Millionen Mitglieder.
Das Wort der Frauen soll Gewicht haben bei der Wiederansiedlung, und zwar bei allen Maßnahmen, nicht nur bei denen, die ohnehin schon unter der Federführung der Frauen-Union stehen. Aus den Erfahrungen beim Wiederaufbau der ersten beiden Friedensdörfer haben die Vertreterinnen der Frauen-Union von Quang Tri gelernt. »Als Phuong Coi und Tan Dinh/Ai Tu aufgebaut wurden, kam es nicht nur einmal vor, dass unsere Vertreterinnen zu Beratungen des Projektkomitees nicht eingeladen wurden«, erzählt die Vorsitzende Frau Sang. »Das wird in Con Trung nicht passieren.« Frau Sang lächelt: »Wer weiß - vielleicht wird in Con Trung eine Frau Oberhaupt des Dorfes?« In Vietnam wäre das bei allen bemerkenswerten Fortschritten hinsichtlich der Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft noch immer etwas Ungewöhnliches.
Vielen Unterstützern ist zu danken, die dabei helfen, die Kriegsfolgen zu überwinden und die Armut entlang des 17. Breitengrades zurückzudrängen: dem deutschen Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und schließlich SODI und den vielen Freunden Vietnams in Deutschland. Die Zuhörer applaudieren.
Im Anschluss übernehmen Schulkinder das Mikrofon. Die Mädchen aus dem Nachbardorf zeigen Tänze und singen Lieder der Mon-Khmer, einer ethnischen Minderheitengruppe, deren Siedlungen ganz in der Nähe von Con Trung in den Bergen beginnen. Dann endlich ist es soweit: Für die SODI-Delegation nimmt der Bremer Ernst Busche gemeinsam mit vietnamesischen Freunden den symbolischen ersten Spatenstich vor. »Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, an der Aufbruchstimmung der Menschen hier teilhaben zu können«, schwärmt der 72-Jährige, der aus Empörung über den Vietnamkrieg zum Friedensaktivisten wurde. Außer ihm gehören seine Frau Eva Böller und der frühere SODI-Vorsitzende Carl Ordnung zu den deutschen Gästen.

Mit dem »roten Buch« in den Händen
Im Anschluss an das große Ereignis kehrt der Alltag wieder ein und danach gehen die Arbeiten kontinuierlich weiter. Die Baufläche, die in 65 exakt markierte Parzellen von jeweils 2000 Quadratmetern aufgeteilt wurde, wurde unter den künftigen Dorfbewohnern verlost - dem Wunsch der Familien entsprechend. Sie können es kaum erwarten, das begehrte »rote Buch« in den Händen zu halten, das mit Siegel und Unterschrift beurkundet, dass sie das Land gegen eine einmalige geringe Gebühr lebenslang nutzen und auch vererben, jedoch nicht verkaufen können.
Nun wartet harte Arbeit auf die Familien. Bis zum Jahresende will etwa die Hälfte von ihnen die Wohnhäuser im Rohbau hochziehen - die Fundamente stehen bereits. Pro Familie gibt es dafür einen Baukostenzuschuss von umgerechnet 650 Euro. Außerdem soll bis dahin ein Großteil der Hausgärten angelegt und Pfeffer gepflanzt werden. Jede Familie erhält dafür eine Anschubfinanzierung von 300 Euro.
Anfang 2005 werden die Leute von Con Trung dann genügend Luft haben, um an von der Frauen-Union organisierten Trainingskursen teilzunehmen. Frauen und Männer wollen lernen, wie man mit Kleinkrediten umgeht, wie man einen vernünftigen Haushaltsplan aufstellt, wie die Belastungen der Wiederansiedlung am besten zu meistern sind. Und die Frauen werden dann noch besser Bescheid wissen, welche Rechte ihnen zustehen und wie sie diese durchsetzen können.

Gemeinsames Spendenkonto:
SODI e.V.
Kontonr. 99 000 92 20 bei der Berliner Sparkasse
BLZ: 100 500 00
Kennwort: Starke Frauen
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