Grenzen überschreiten, Gesetze brechen

Ausstellung »Legal/Illegal« zeigt legendäre, irritierende Kunstaktionen

Der schmale Grat der Durchdringung von Kunst und Leben sowie das weite Feld der Übertretung von Gesetzen sind die Pole, zwischen denen die Ausstellung »Legal/Illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht« in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst pendelt. Der Parcours der meist strategisch geplanten Unternehmungen beginnt mit dem gefälschten Ausweis, mit dem Franz Jung 1923 - nachdem er mit der Entführung eines Fischdampfers gen Sowjetrussland seine eigene Weltrevolution auf offenem Meer gespielt hatte und deswegen strafrechtlich verfolgt wurde - illegal in Deutschland einreiste. Es folgt das Plakat eines Boxkampfes 1916 zwischen dem amtierenden Box-Weltmeister Jack Johnson und dem hünenhaften Künstler Fabian Lloyd aka Arthur Cravan. Cravan betrat das Geviert seiner vorher anzunehmenden Niederlage bereits betrunken. In der sechsten Runde stürzte er zu Boden. Immerhin 5000 Zuschauer sahen diesen Kampf. Und, wie Gabrielle Buffet-Picabia in Robert Motherwells Anthologie »Die Dada-Maler und -Dichter« zitiert wird, brachte ihm diese bittere Erfahrung etwas Geld. Weiter werden Aktionen von Chris Burden, Tony Labat und Dennis Oppenheim vorgestellt. Burden schickte 1978 ein Flugzeug über die Grenze zwischen Kalifornien und Mexiko. Der Mini-Bomber hatte kein Napalm geladen, auch keine Rosinen, aber zwei Marihuana-Zigaretten, die unter den Flügeln klemmten wie Marschflugkörper. Auf die Joints hatte er geschrieben: »Raucht das Zeug, Jungs, typischer Topanga, made in USA«. In drei Fotos ist die minimalistische Aktion dokumentiert, die zu Gedankenflügen über Grenzen, Wirtschaftsgefälle und Luftwaffe inspiriert. Tony Labat hatte im selben Jahr versucht, einen kalifornischen Gouverneurskandidaten Lowell Darling zu entführen. Der war wie Labat selber Künstler, hatte sich aber - weil Gouverneurswahlen in Kalifornien nicht erst seit Schwarzenegger Show-Events sind - einfach mal als Kandidat aufgestellt. Labat wollte Darling den Ernst den Politikerlebens aufzeigen. Er stopfte ihn in ein Auto, ließ ihn nach einigem Gerangel - auch aus Angst, ihn zu verletzen - jedoch frei. Immerhin zog Darling seine Kandidatur zurück. Dennis Oppenheim hatte 1971/ 72 Radkappen von Buicks, Dodges und Chevrolets vor dem Knast St. Quentin abmontiert. Wie Skalpe liegen die silber glänzenden Accessoirs in der Galerie ausgebreitet. Auch in jüngerer Zeit inszenierten Künstler grenzüberschreitende Aktionen. Janice Kerbel brachte im Jahr 2000 ein Buch heraus, in dem sie minutiös den Plan für einen Überfall auf eine Filiale der Coutts & Co. Bank in London vorstellte. Das Bankgebäude wurde kurz darauf abgerissen, das Buch soll immer wieder bei Hausdurchsuchungen bei mutmaßlichen Bankräubern gefunden werden. Spektakulär ist die von Gianni Motti mitgeschnittene Videosequenz von George Bushs Vorbereitung auf seine Ansprache zum Beginn des Golfkrieges am 20. März 2003. Bush wird gekämmt, sein Anzug gebürstet, er scherzt, macht Lockerungsübungen. Er ist ein Schauspieler vor einem Auftritt. Am 21. März erwarb das Pentagon die Übertragungsrechte, um die weitere Ausstrahlung zu unterbinden. »Legal/Illegal« zeigt eine große Spannbreite an Aktionen. Auf den legendären Yippie-Pionier Abbie Hoffman wird verwiesen, auf Timm Ulrichs, die Guerrilla Art Action Group. Die Ausstellungsmacher diskutieren die einzelnen Interventionen nicht, ordnen sie nicht in einen kunsthistorischen oder politologischen Rahmen. Das ist, denkt man zunächst, ein Manko. Doch bleibt den Aktione...

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