nd-aktuell.de / 11.12.2004 / Wissen

Wie sich die Haut wehrt

Eiweißstoffe bekämpfen Krankheitserreger schon außerhalb des Körpers

Linda Faye Tidwell
Trotz des täglichen Kontakts mit Bakterien wird die Haut nur selten krank. Wissenschaftler der Kieler Christian-Albrechts-Universität haben ein Haut-Protein entdeckt, das vor Infektionen mit Kolibakterien schützt. Dieser körpereigene Schutzmechanismus bietet neue Perspektiven zur Behandlung von Infekten. Nach jedem Händeschütteln, Türöffnen oder Geldwechseln herrscht auf der Haut unserer Hände ein reges Treiben. Verschiedenste Arten von Bakterien tummeln sich auf den Handflächen und zwischen den Fingern - von dort können sie leicht auf andere Körperbereiche gelangen. Ein häufig anzutreffender Gast auf unserer Haut ist das Bakterium Escherichia coli. Dieser Mikroorganismus kommt im menschlichen Darm vor und umgibt uns im täglichen Leben an vielen Orten. Die meisten Stämme von E. coli sind harmlos, doch einige können Infektionen hervorrufen oder zu einer Lebensmittelvergiftung mit tödlichem Ausgang führen. Die Wissenschaftler hatten sich gefragt, warum diese Mikroben gesunde Haut normalerweise nicht infizieren, obwohl sie so häufig vorkommt. Auf der Suche nach Substanzen, welche die Haut vor krankmachenden Bakterien schützt, ist die Arbeitsgruppe um Professor Jens-Michael Schröder von der Hautklinik der Universität Kiel nun auf ein Protein namens Psoriasin gestoßen, welches das Darmbakterium E. coli auf der Haut abtötet. Aus Extrakten der Hornschicht (Stratum corneum) konnten sie nun ein Protein isolieren, das dort in großen Mengen vorhanden ist. »Der Eiweißstoff erwies sich als Escherichia-coli-spezifisches antimikrobielles Peptid«, erklärt Schröder. Das Haut-Protein Psoriasin wird in der Haut aller Menschen gebildet, allerdings in verschiedenen Körperbereichen in unterschiedlicher Konzentration. Besonders hoch ist die Konzentration an bakterienreichen Orten, wie etwa der Kopfhaut oder der Achselhöhle. Aber auch am Anus und an den Fingern ist das Eiweiß vermehrt anzutreffen. Dort wirkt es als eine Art Schutzmantel für die Haut. An den Beinen oder Oberarmen findet sich dagegen weniger Psoriasin. Interessanterweise fanden die Wissenschaftler das Protein auch auf der Haut von Neugeborenen. Dies könnte die Kinder bei der Geburt vor Infektionen schützen, meinen die Wissenschaftler. Dass Psoriasin eine antibakterielle Wirkung hat, konnten die Kieler Forscher mit Hilfe von Psoriasin-Antikörpern zeigen, die an den Abwehrstoff andocken und ihn so blockieren. Trugen die Dermatologen diese auf die Haut auf, war die Haut nicht mehr vor einer Besiedlung mit E. coli geschützt. Welche Substanz die Bildung des Proteins anregt, haben die Wissenschaftler bisher noch nicht herausgefunden. »Das ist jedoch ein interessanter Aspekt«, so Schröder. »Denn wenn wir den Faktor finden, könnte damit auch in Zukunft an anderen Körperstellen, wie etwa den Schleimhäuten in der Blase, die Produktion von Psoriasin prophylaktisch angeregt werden.« Man hoffe mit Hilfe dieser Erkenntnisse künftig Infektionen zu verhindern. Wie Psoriasin den Bakterien den Garaus macht, haben Schröder und sein Team bereits herausgefunden: »Den Kolibakterien wird durch das Psoriasin ein lebenswichtiges Spurenelement, und zwar das Zink, entzogen. Wir glauben, dass die Kolibakterien das Zink zur Entgiftung brauchen. Offenbar wird dieses Entgiftungsmittel inaktiviert, und auf diese Weise sterben die Bakterien an ihren eigenen Giftstoffen.« Da Psoriasin mit dem Talg der Haut ausgeschieden wird, empfiehlt der Studienleiter Schröder bei der eigenen Körperpflege entfettende Substanzen nur in Maßen zu verwenden. »Übertriebene Hygienemaßnahmen zerstören nicht nur die eigene Hautflora, sondern zerstören auch diesen Schutzmechanismus durch Herauswaschen des Psoriasins«, sagt Schröder. Psoriasin ist nicht die erste Substanz, welche die Kieler Forscher auf der Haut dingfest machen konnten. Bereits im Jahr 1997 isolierten sie ein Protein aus Hautschuppen, das so genannte Beta-Defensin-2. Die Hautschuppen stammten von Patienten mit Schuppenflechte. Die Tatsache, dass ihre Haut trotz schwerer Schädigung nur selten von Bakterien und Pilzen infiziert wird, war ein Indiz für die Existenz eines antibakteriellen Schutzes. Die Schuppenflechte (Psoriasis) ist eine Hautkrankheit, bei der sich die unteren Hautschichten entzünden, während die oberen Schichten verhornen und abschuppen. Beim Lösen der Hautschuppen entstehen häufig kleine Risse und Blutungen der Lederhaut - normalerweise beste Voraussetzungen für Erreger. Die auf der Haut gefundene Abwehrwaffe Beta-Defensin-2 ist gegen einige Bakterien und Hefen wirksam. »In gesunder Haut ist das Eiweiß nur in kleinen Mengen zu finden. Bestimmte Immunbotenstoffe oder krankmachende Stämme bestimmter Bakterien regen die so genannten Keratinozyten an, das Protein zu bilden«, erklärt Schröder. Zudem konnten die Forscher feststellen, dass die Defensin-Produktion nur dann angeregt wird, wenn die Bakterien sich zusammenschließen und einen der Haut gefährlich werdenden Biofilm bilden. Einzelne Bakterienzellen sind dazu nicht in der Lage. Bis allerdings Defensine und Psoriasin als Medikamente eingesetzt werden, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Bisher gelang es nicht, die Peptide in großem Maßstab herzustellen. Die sonst übliche gentechnische Herstellung durch Mikroorganismen ist nicht möglich - die Bakterien würden sich dabei selbst umbringen.