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Angeklagt

  • Wolfgang Her
  • Lesedauer: 2 Min.

Angela Marquardt,

bis Anfang 1997 PDS-Vize, steht ab heute als Angeklagte vor dem Amtsgericht Berlin-Moabit.

ND-Foto: Burkhard Lange

Einen politischen Prozeß nennt PDS-Chef Lothar Bisky ohne Umschweife die Gerichtsverhandlung, die heute am Amtsgericht Berlin-Moabit beginnt. Angeklagt ist Angela Marquardt, bis vor zwei Wochen Biskys Stellvertreterin. Die 25jähri-

ge soll, so die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, Straftaten gebilligt haben und zwar »in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören«. So steht es in Paragraph 140, Absatz 2 des Strafgesetzbuches. Das dahinter vermerkte Strafmaß reicht von Geldstrafe bis zu drei Jahren Haft.

Die Anklage dreht sich um zwei Vorgänge, die nichts miteinander zu tun haben. Zum einen wird Marquardt vorgeworfen, einen Brandanschlag auf die Druckerei der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit im Dezember 1994 gebilligt zu haben. In einem Interview für die mittlerweile nicht mehr existierende Wochenpost hatte Marquardt auf die Frage, wie sie zu solchen Anschlägen stehe, geantwortet: »Ich halte es für legitim zu verhindern, daß die Junge Freiheit gedruckt werden kann.«

Zweitens soll sich die Politologie-Studentin dafür verantworten, daß sich auf ihren Internet-Seiten ein Hinweis auf Internet-Veröffentlichungen der kriminalisierten Autonomen-Zeitschrift radikal finden. In dieser Zeitschrift erfährt man z. B., wie man Eisenbahn-Signalanlagen

zerstören kann, um so Atomtransporte zu behindern. Marquardt wird nun zur Last gelegt, Anleitungen zu Gewalttaten zu verbreiten. Von Gewalt hat sie sich ausdrücklich distanziert, kritisiert aber auch die strafrechtliche Verfolgung von rac?££a/-Redakteuren.

Ob das Verfahren, in dem u. a. Entscheidungen über Meinungsfreiheit und Zensur im Internet zu erwarten sind, ein politischer Prozeß wird, muß sich zeigen. Angela Marquardt jedenfalls, Aktivistin der AG Junge Genossinnen und erste PDS-Vertreterin im Konzil der Freien Universität Berlin, sieht das durchaus so. Zwar ist sie seit dem Schweriner Parteitag einfaches Mitglied der PDS, jedoch gehörte sie sechs Jahre lang der Parteispitze an und gilt dem Verfassungsschutz im allgemeinen und Berlins Innensenator Schönbohm (CDU) im besonderen nicht nur wegen ihrer Frisur als Beispiel für die Gefährlichkeit ihrer Partei. Der Parteitag hat ihr seine Solidarität bekundet, und der PDS-Stadtverband Leipzig versprach, 1000 Mark für ihre Prozeßführung zu spenden.

Wolfgang Hübner

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