nd-aktuell.de / 04.02.1997 / Politik / Seite 3

Symbolik im Blick

Auch das weitere Verfahren ließ er nicht aus seinen staatsmännischen Augen. Und griff immer mal wieder korrigierend ein. So, als ihm Anfang 1993 der städtebauliche Entwurf für die Parlaments- und Regierungsbauten, der Grundlage für die weiteren Architekturwettbewerbe werden sollte, nicht schmeckte. Den damaligen städtebaulichen Wettbewerb hatte der Berliner Architekt Axel Schultes mit seiner Partnerin Charlotte Frank gewonnen. Sie konzipierten ein hundert Meter breites »Band des Bundes«, das sich vom Bahnhof Friedrichstraße bis in den nördlichen Tiergarten erstreckte undvmit seiner Kette von Parlaments- und Regierungsgebäuden eine symbolische Verbindung zwischen Ost und West herstellen wollte. Durch seine egalitäre Einordnung in das 22 Meter hohe Gebäudeband fühlte sich das Kanzleramt jedoch in sei-

ner Bedeutung herabgesetzt, worauf Schultes die Regierungszentrale fast auf Reichstagsmaße erhöhte.

Dieses Konzept war die Grundlage der folgenden Architekurwettbewerbe. Spätestens von diesem Zeitpunkt an wurde die Gestaltung des Kanzleramts zur Chefsache, erleichtert durch die Unentschlossenheit der demokratischen Entscheidungsgremien. Als sich die Jury Ende 1994 auf keinen Sieger im Kanzleramtswettbewerb einigen konnte und mit Schultes/Frank sowie Krüger/Schuberth/ Vandreike zwei Architektenbüros zum Sieger kürte, mußte Kohl ein Machtwort sprechen. Nach halbjähriger Überarbeitungsfrist gab es erneut den Zuschlag für Schultes. Erleichterung darüber allenthalben, daß die Frage, wie sieh der neue Staat seinem Volke darstellen sollte, zugunsten einer offenen und transparenten Architektur entschieden wurde. Schultes hatte die langen Außenwände seines Bundesbandes kammartig aufgebrochen, die Büroblöcke mit großen Wintergärten zur umgebenden Parklandschaft geöffnet. Zwischen diese Bürozeilen türmte er das erhöhte Zentralgebäude, den ei-

gentlichen Kanzlersitz, in den er riesige bullaugenähnliche Glaskörper schnitt an der Architektur sollte es nicht liegen, wenn der künftige Hausherr den Überblick verliert.