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Bangen um den Standort Dortmund

Eventuelle Hochzeit von Krupp und Thyssen brächte das Aus für Westfalens Metropole Von Ulrich Sander

  • Lesedauer: 3 Min.

Am 5. Februar steht im Aufsichtsrat von Krupp-Hoesch eine Entscheidung an, die von Gewerkschaftern und Grünen in seltener Übereinstimmung als Überlebensfrage für den Stahlstandort Dortmund angesehen wird.

Es geht darum, ob in Dortmund für 1,3 Milliarden Mark ein neues Stahlwerk gebaut wird oder ob ein »Optimierungskonzept« für 660 Millionen DM zur Anwendung kommt. Betriebsrat und Belegschaft kämpfen für ein neues Stahlwerk und haben dies mit kurzen Streiks und Straßenbesetzungen unterstrichen. Sie erhielten im Rat der Stadt Dortmund einstimmige Unterstützung.

Doch in der Ratssitzung traten auch scharfe Gegensätze hervor Jürgen Mohr von den Bündnisgrünen warf der SPD vor, sich - vor allem in der Landesregierung - insgeheim schon vom neuen Stahlwerk verabschiedet zu haben, das nicht in die Strategie von Krupp-Konzernchef Gerhard Cromme passe. Mit dem von Krupp-Hoesch verfolgten Optimierungskonzept für die bestehenden Anlagen solle Dortmund für eine Elefantenhochzeit mit Thyssen reif gemacht werden. Das koste später 10 000 Arbeitsplätze allein

im Montanbereich, sagte Mohr Oberbürgermeister Günter Samtleben widersprach zwar, konnte aber nur für die SPD in Dortmund, nicht für seine Genossen in der Landesregierung die Versicherung abgeben, daß der Stahlwerkbau weiter unterstützt werde.

Daß eine Elefantenhochzeit Krupp-Thyssen unter Enterbung des vor Jahren mit Zustimmung der Landesregierung zwangsadoptierten Kindes Hoesch stattfinden könnte, wird nirgends ernsthaft ausgeschlossen. Als vor einer Woche die »Stuttgarter Zeitung« derartiges druckte, protestierte schon die Nachtschicht im Werk Phönix, denn solche Nachrichten wirken wie Funkenflug. Das Blatt hatte gemeldet: »Die Stahlkonzerne Krupp in Essen und Thyssen in Duisburg planen, nach der Edelstahlerzeugung nun auch die Massenstahlproduktion zusammenzulegen. Der angestrebte Verbund würde etwa drei Viertel der deutschen Stahlproduktion kontrollieren. Kommt es zur Fusion, wären etwa 5000 Krupp-Arbeitsplätze gefährdet, weil das Stahlwerk in Dortmund überflüssig wird. Krupp-Chef Cromme hatte den Dortmunder Standort in den zurückliegenden Wochen wiederholt zur Disposition gestellt.«

Die Stahlarbeiter in Dortmund sind äu-ßerst beunruhigt. Denn noch mehr als die Stahlwerks- sind die Optimierungspläne mit Opfern für sie verbunden.

Nachdem die Übernahme des Hoesch-Konzerns durch Krupp im entstandenen Gesamtkonzern 12 000 Arbeitsplätze kostete, sind nun mindestens 2200 weitere Stellen bedroht. Und diese sind nicht wie früher mittels Sozialplan und Vorruhestand zu räumen, sondern nach dem Sparpaket aus Bonn nur über betriebsbedingte Entlassungen. Der Rat der Stadt forderte daher Bund und Land auf, den Abbau »sozialverträglich abzufedern«.

Fürs »Sozialverträgliche« brachte die IG Metall den Gedanken einer Beschäftigungsgesellschaft ins Spiel. Außerdem sollen handwerksorientierte Firmen entstehen, um die mindestens 2200 »Freigesetzten« aufzunehmen.

Noch einmal 4000 Arbeitsplätze würde es kosten, wenn kein neues Stahlwerk gebaut würde, rechneten Betriebsräte und Grünen-Vertreter vor. Anzeichen für den Wunsch von Krupp-Chef Cromme, den mit Milliardenspritzen des Landes vollzogenen Anschluß von Hoesch nur zur Zwischenstation auf dem Weg zur Konkurrenzvernichtung werden zu lassen, werden in seinen kaum erfüllbaren Forderungen an die Ruhrkohle gesehen. Diese soll den Kokskohlepreis um ein Drittel senken. Andernfalls wolle man in Polen einkaufen. Käme es dazu, müßte die auf dem Gelände der Hoesch-Westfalenhütten erst 1992 von der Ruhrkohle für 1,2 Milliarden DM gebaute Kokerei kaiserstuhl schließen.

Das Dementi der Fusions-Meldung in der »Stuttgarter Zeitung«, verkündet von Hoesch-Sprecher Viktor Braun, haben die Gewerkschafter von Krupp-Hoesch auf einer Vertrauensleutekonferenz mit Unglauben aufgenommen. In einer Entschließung forderten sie: Es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Die Landes- und Bundesregierung sollten an einer großen Lösung mitarbeiten, um Arbeitsplätze in der Stahl-, Kohle-, Koksund Zulieferindustrie zu sichern.

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