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  • Politik
  • Bernard Haitink mit dem Berliner Philharmonischen Orchester

Musik des Abschieds

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein bewegender Abend mit großer Sinfonik. ausverkauftes Haus, die Ränge besetzt bis unters Dach. Erwartungsvolle Spannung des Publikums vor Beginn. Nur ein Werk steht auf dem Programm, es fordert konzentriertes Zuhören für eineinhalb Stunden: Gustav Mahlers »Neunte«, ein klingendes Monument in gewaltigen Ausmaßen.

Diese letzte vollendete Sinfonie des Komponisten von 1909 ist in ihrer tragischen Gestik und Emphase seelische Reflexion der zerrissenen und bedrohten bürgerlichen Welt um die Jahrhundertwende. Eine Musik des Abschieds von erträumter gesellschaftlicher Harmonisierung. In ihrer unbedingten Ehrlichkeit, ihrer künstlerischen Wahrheit ist sie uns heute, am Ende dieses an dramatischen Ereignissen reichen Jahrhunderts, auf schmerzliche Weise nahe.

Die Berliner Philharmoniker unter Bernard Haitink machten die Aufführung zu einem besonderen Erlebnis. Die langjährige enge Verbundenheit des niederländischen Dirigenten mit den Berliner Instrumentalisten - besonders Erfahrungen in zahlreichen Mahler-Platteneinspielungen - war in jedem Takt spürbar- eine

Interpretation höchster Intensität und Klarheit. Dabei wirkt Haitinks Dirigierstil eher kühl und besonnen, nie ausufernd emotional. Strenge und Präzision, genaues Abwägen der Lautstärken, der Tempi sind seine Sache. Und gerade in solch sachlicher Konsequenz überlegenen Gestaltens trat die strukturelle Vielfalt der Komposition plastisch hervor

Mächtig der Anfangssatz »Andante comodo«: Zart das an Beethovens Sonate »Les-Adieux« erinnernde Abschiedsmotiv, dann die sich grandios auftürmenden Klangmassen des Blechs, die gespenstisch wirkenden Holzbläser Dröhnende Gebärde, in schrillen Ausbrüchen von geradezu erdrückender Düsterheit.

In scharfem Kontrast dazu stand der folgende grotesk verfremdete Ländlersatz: deftig, fast grob, gewissermaßen als ein Tanz auf dem Vulkan, ins Hektisch-Grelle überzeichnet und in allen Facetten der instrumentalen Farben glitzernd. Ebenso das »Rondo«. Burleske mit schmissigen Blechkaskaden, spritzigen Fugati, zu brillantem Furioso gesteigert. Faszinierende Orchesterkunst par excellence, gipfelnd im Finale. Abgesang von ergreifender Schönheit, den dominierend die Streicher in äußerstem Espressivo entfalteten, bis hin zum ersterbenden Ton eines Cellos. Abschied in der Stille.

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