Wolf-Prozeß und Allende-Mord

Will man mit diesem Prozeß gegen Wolf die DDR als »Unrechtsstaat« diskreditieren, so erscheint mir das reichlich kontraproduktiv Im Gegenteil! Dieser wie alle anderen politischen Prozesse, bei denen Kundschafter zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, beweist etwas ganz anderes: Erfolgreiche nachrichtendienstliche Arbeit ist auch ohne Schweinereien möglich. Tausende von Straf- und Ermittlungsverfahren haben gezeigt, daß die überwiegende Mehrheit der HVA- und NVA-Kundschafter aus innerer Überzeugung für eine sozialere Gesellschaft und die Erhaltung des Friedens gekämpft haben. Umgekehrt schießt die bundesdeutsche Justiz ein Eigentor nach dem anderen. Seit der Beweisaufnahme im Verfahren gegen Generalmajor Schutt wissen wir, daß dem BND die Absicht des amerikanischen Partnerdienstes, den Präsidenten Chiles, Salvador Allende, zu ermorden, im Voraus bekannt war (Leider erreichte diese Nachricht die chilenischen Genossen via Berlin um wenige

Stunden zu spät.) Um einen DDR-Kundschafter in den Kerker zu sperren, entführt man schon mal - wie im Fall des Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Gerd Löffler - jemanden aus einem souveränen Drittstaat. Dabei nimmt man billigend in Kauf, daß den ausführenden Söldnern des BKA in der Republik Österreich Haftbefehle drohen.

Je länger diese politischen Verfahren, um so deutlicher wird nur eines: Jeder, der als Kundschafter im Westen für die Sicherung und Stärkung der DDR tätig war, kann erhobenen Hauptes zu seiner Biographie stehen und mit der Gewißheit leben, für einen der anständigsten Dienste der Welt gearbeitet zu haben.

Wozu nun dieser »paradoxe Prozeß« (Ex-BND-Chef Hellenbroich)? Die Antwort auf diese Frage wird im Urteil gegen Markus Wolf stehen: »Die Kosten des Verfahrens trägt der Angeklagte.« Und nur darum geht es (das ND schätzt die Kosten auf eine halbe Million Mark). Den politischen Gegner ökonomisch vernichten; das ist das Ziel, das bereits in so vielen Fällen erreicht wurde.

Dieter W Feuerstein München