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Warum der Märker ein geborener Vandale ist

Über Vor- und Nachfahren und ihren wütenden Eifer Von Rainer Funke

  • Lesedauer: 3 Min.

Es mag um 100 v.u.Z. gewesen sein, als ein germanischer Stamm von Jütland her ins Oderland einwanderte, für eine Weile auf märkischem Sand seßhaft wurde und sich auf diese Weise gewissermaßen zum Vorfahren der Brandenburger machte. Jener Stamm namens Vandalen hatte die unangenehme Eigenart zu zerstören, was ihm unter die Finger kam, und zwar ohne daß es irgendeinen Sinn machte.

Ganz abgesehen davon, daß Zerstörung niemals Sinn macht, trieb es die wilde Schar schlimmer als andere zuvor Auf ihren späteren Feldzügen bis hin nach Spanien und Afrika, wo sie einen Staat mit der eroberten Hauptstadt Karthago gründeten, taten sie alles, um ihren bösen Ruf zu mehren. Und so blieb ihr

Name bis ins Heute als Markenzeichen für eine besonders abartige Form von eifrig tätiger Wut erhalten.

Aber nicht nur dies. Auch gar manche Spezies aus der alten Sippe und deren Brauchtum scheinen in der Mark die Jahrhunderte überdauert zu haben. Wie käme es sonst, daß die CDU in einer kleinen Anfrage diesbezüglich den Innenminister zur Rede stellen mußte. Ob dem wiederum allgegenwärtig ist, daß der Märker aufgrund seiner Geschichte der geborene Vandale ist, das weiß man nicht. Zumindest ließ er es unerwähnt.

Aber der Minister hatte immerhin eine Definition zur Hand, was denn den Vandalismus unserer Tage ausmache: Er sei »auf die Beschädigung oder Zerstörung einer Sache um ihrer selbst willen gerichtet«, eben »unmotiviert oder aus Übermut«. Wie umfänglich allerdings selbiges Vandalenerbe im Lande wirklich

ist, ahnt auch der Minister nicht. Weil dieser Straftatbestand im Strafgesetzbuch vergessen oder, was noch schlimmer wäre, wissentlich weggelassen wurde, gibt es ihn auch in der Kriminalstatistik nicht.

Da aber moderne Vandalen nicht nur abbrennen, verunreinigen, rasen oder randalieren, sondern auch kaputt machen, hilft uns wenigstens das Delikt Sachbeschädigung. Und hier gab es zwischen 1991 und 1995 immerhin 154 095 Fälle. Die für das letzte Jahr sind noch nicht ausgezählt. Aber es sollen schätzungsweise um die 30 000 hinzukommen. Die Vandalen sind unter uns. Jeder dritte von ihnen, der Polizei sei Dank, wird auch erwischt.

Doch die hat trotz alledem ihre Sorgen. Vandalen schreckt man nicht. Revierpolizisten, Straßenarbeiter oder andere Kommunalleute, so das SPD-Konzept, sollen mit den potentiellen Tätern reden, bevor sie gewissermaßen in den Brunnen gefallen sind. Doch wer weiß schon, in wem ein Vandale steckt. Immerhin kennt der Minister den Typ als solchen. Und er charakterisierte ihn auf Frage der CDUjugendlich, gehäuft auftretend, männlich, unentwegt hausend und - überwiegend deutsch. Eben wie die alten Vandalen.

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