nd-aktuell.de / 23.12.2004 / Kultur

... bin jetzo so an dich gebunden

Hans-Georg Schede: Die Brüder Grimm

Kai Agthe
Ihren »Kinder- und Hausmärchen« war bei ihrem Ersterscheinen 1812 kein Erfolg beschieden. Heute aber gelten sie, wie bei Hans-Georg Schede nachzulesen, als das am weitesten verbreitete Buch deutschen Ursprungs. Ein anderes wichtiges Werk, das sie gemeinsam auf den Weg brachten, aber nicht abschließen konnten, ist das etymologische »Deutsche Wörterbuch«, ein unverzichtbares Standardwerk, wenn man sich über die Herkunft sowie den Gestalt- und Bedeutungswandel deutscher Wörter informieren möchte. Wobei Jacob (1785-1863) und Wilhelm (1786-1759) nicht die siamesischen Philologen-Zwillinge waren, für die man sie bei oberflächlicher Betrachtung gern hält. Wilhelm heiratete 1825, Jacob hingegen blieb Junggeselle, der ganz für sein Schreiben lebte. Mit stolzen 500 Titeln hat er fast doppelt so viel geschrieben wie sein jüngerer Bruder; nur zwanzig Arbeiten haben sie gemeinsam verfasst. Jahre dauerte es, bis die studierten Juristen sich ihren Wunsch erfüllen und ganz auf die literarhistorische und sprachgeschichtliche Forschung konzentrieren konnten. Jacob und Wilhelm mussten sich lange Zeit als Sekretäre und Bibliothekare des Kurfürsten von Hessen in Kassel verdingen, bevor beide zusammen Professuren in Göttingen (1830) und Berlin (1840) erhielten. Jacob war von beiden zweifelsohne der politischere Kopf. Er wurde 1848 sogar in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Doch der Optimismus, mit dem er sein Mandat in der Paulskirche antrat, verflog rasch. Wie sehr sie einander brauchten, zeigt ein melancholisch gestimmter Brief, den Jacob im April 1815 - nach dem Tod einer geliebten Tante - an Wilhelm schrieb. Darin heißt es u.a.: »Ich bin jetzo so hauptsächlich an dich gebunden, dass ich nicht aus noch ein wüsste, wenn du mir mangeltest.« Sich dem Leben und Werk der Brüder Grimm anzunähern, ist eine Kärrnerarbeit, die zu würdigen weiß, wer sich, allein um eines bescheidenen Überblicks willen, in einer entsprechend sortierten Universitäts- und Landesbibliothek durch die Regalmeter an Publikationen von und über die Grimms getastet hat. Allein die diversen, in mehrbändigen Ausgaben vorliegenden Briefwechsel zu konsultieren, ist ein aufwendiges Unterfangen. Da ist Hans-Georg Schede eine für eine Doppelbiografie ebenso informative wie bemerkenswert konzentrierte Darstellung gelungen. Hans-Georg Schede: Brüder Grimm. Deutscher Taschenbuch Verlag. 191 S., brosch., 10 EUR.