Stirbt der Kabeljau aus?

Stefanie Schmidt über EU-Fische, Fangzonen und Sperrgebiete

  • Lesedauer: 3 Min.
Die 30-Jährige ist bei der Umweltstiftung WWF Referentin für das Fischereiwesen.
ND: Wie sehen Sie die Ergebnisse des Fischereirates der EU in Brüssel, der über die Fangquoten für das Jahr 2005 entschieden hat?
Schmidt: Wir sind sehr enttäuscht. Dass für die Ostsee die Anzahl der fangfreien Gebiete von zwei auf drei erhöht und das Sommerfangverbot ausgeweitet wurde, ist der einzige Lichtblick. Hinsichtlich der Nordsee wurden jedoch keine nachhaltigen Entscheidungen getroffen. Fangfreie Gebiete wird es nicht geben.

Gab es bei den Ostsee-Anrainern weniger Widerstand gegen eine Fangschutzausweitung?
Das ist zu vermuten. Die Fischereiminister vertreten natürlich in erster Linie die Interessen ihrer eigenen Länder.

Was bedeutet es für den Kabeljau, wenn er in der Nordsee unvermindert abgefischt wird?
Das ist eine gute Frage. Wenn man die Entwicklungen der letzten Jahre betrachtet, ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, wann die dortigen Bestände für die kommerzielle Nutzung zusammenbrechen werden. In der Nordsee müssten daher mehr und mehr Gebiete für die Fischerei komplett geschlossen werden.

Ist das Aussterben des Kabeljaus eine Frage von Jahren oder Jahrzehnten?
Das kann ich ihnen nicht sagen.

Warum hören die EU-Staaten nicht auf die Empfehlungen der Wissenschaftler? Wird die EU von der Fischereiindustrie erpresst?
Das sind sicherlich vornehmlich wirtschaftliche Interessen, die dabei im Vordergrund stehen. Natürlich ist das auch eine politische Abwägung, ob man recht kurzfristigen wirtschaftlichen Motiven oder langfristigen Erhaltungsinteressen Vorschub gibt. Wie die Entscheidungen innenpolitisch getroffen werden, müssen Sie in den Mitgliedstaaten nachfragen.

Kann sich die Kabeljau-Biomasse in der Ostsee nun ungehindert erhöhen?
Nicht unbedingt. Natürlich ist es sinnvoll, dass beispielsweise das Bornholm Tief, eines der wichtigsten Laichgebiet des Dorsches in der Ostsee, geschlossen wurde. Allerdings betrachte ich es als Wermutstropfen, dass dennoch eine Fangquote für Kabeljau beziehungsweise für Dorsch gesetzt wurde. Damit ergibt sich die Gefahr, dass das Abfischen nur auf andere Gebiete verlagert wird.

Gibt es andere verheerende Beispiele für das Überfischen von Fanggebieten?
Ja. Auf den Grand Banks vor Neufundland ist die Kabeljau-Fischerei vor rund 15 Jahren Jahren komplett zusammengebrochen. Die Bestände haben sich bis heute nicht erholt. Dort wurde es versäumt, entsprechende Schutzmaßnahmen rechtzeitig einzuleiten. Dafür haben die Fischer und Politiker eine deftige Rechnung erhalten.

Wie hat sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen in Brüssel aus der Affäre gezogen?
Soweit mir bekannt ist, hat sie sich für die Vorschläge der Europäischen Kommission eingesetzt und darüber hinaus sogar für weitere Schutzmaßnahmen stark gemacht.

Wie wird die Einhaltung der Schutzzonen und fangfreien Tage überhaupt kontrolliert?
Größere Schiffe müssen VMS-Signale ausstrahlen. Über diese kann die Position überprüft werden.

Wann könnte frühestens eine Änderung der neuen Fangquoten eintreten?
Bei den Verhandlungen für das Jahr 2006. Dann hoffe ich auf Besserung.

Gespräch: Matthias Koch
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal