Ein weiterer Missgriff

RWE-Gehaltsaffäre: CDU-General Laurenz Meyer tritt zurück / Volker Kauder wird Nachfolger / Wahlkämpfende CDU-Regionale stürzen Laurenz Meyer - gegen den Wunsch Angela Merkels

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 6 Min.
Knapp zwei Wochen nach ersten Vorwürfen in der RWE-Gehaltsaffäre und zwei Tage nach Angela Merkels Versuch, seinen Stuhl zu retten, musste CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer gestern dann doch zurückgetreten.
Der Spruch auf dem CDU-blauen Grund hinter Laurenz Meyer wirkte ein wenig wie die unausgesprochene Erklärung zum gerade erfolgten Rücktritt: »Besser für die Menschen«. Nicht für den gestrauchelten CDU-Generalsekretär und auch nicht für Angela Merkel. Aber für die Menschen - und damit für die Partei. Wie wirkt sich die RWE-Gehaltsaffäre auf das Ansehen der CDU beim Wähler aus?, hatte in den vergangenen Tagen erst zögerlich und schließlich fordernd eine wachsende Gruppe in der Partei gefragt. Angesichts des verheerenden Echos auf Meyers Stück für Stück preisgegebene RWE-Geheimnisse stand die Antwort von Anfang an fest: Soll nicht ein Schatten auf die 2005 anstehenden Wahlkämpfe der CDU fallen, könne es nicht bei Angela Merkels »Herr Meyer ist im Amt« vom Sonntag bleiben.

Druck aus der zweiten Reihe
Folgerichtig sorgten die im Vorwahlfieber stehenden CDU-Landesverbände und die dortige Basis für den nötigen Druck. Von Anfang an fürchtete NRW-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers »große Unruhe« und warnte: »Es ist schwer, mit solchen Vorgängen Wahlkampf zu machen.« Zu einer öffentlichen Rücktrittsforderung konnte sich Rüttgers, wohl aus taktischen Kalkül gegenüber der Parteispitze, nicht durchringen. Dafür wurde die zweite Reihe nach vorn geschickt: Der stellevertretende CDU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Oliver Wittke, zeigte sich über Meyers »scheibchenweise« Offenbarungsstrategie empört und erklärte, »wer nicht offen mit seinen Freunden umgeht, der hat seinen Anspruch auf Solidarität verwirkt«. Und der CDU-Landes-Vize in Schleswig-Holstein, Rasmus Vöge, forderte ultimativ: »Laurenz Meyer sollte zum Wohl unserer Partei sein Amt zur Verfügung stellen.« Am Mittwochmorgen war die Fronde der CDU-Regionalen dann erfolgreich: Der CDU-Generalsekretär erklärte zunächst gegenüber Angela Merkel, später gegenüber den Mitarbeitern und schließlich auch der Öffentlichkeit seinen Rücktritt. An eben jenem Mikrofon, an dem Meyer am Montag einmal mehr eine Erklärung zu den RWE-Zahlungen abgegeben hatte und an dem Angela Merkel noch am selben Tag ihrem Generalsekretär den Rücken gestärkt hatte. Genau darin besteht die eigentliche Brisanz des Vorganges: Der späte Rücktritt Laurenz Meyers ist das praktische Eingeständnis eines Fehlers der CDU-Vorsitzenden und für diese eine weitere Niederlage im innerparteilichen Ringen um die Führung der Union. Merkels Fehler bestand darin, zu glauben, sie könne die Partei mit der Autorität einer Vorsitzenden gegen den anschwellenden Unmut zu einem Bekenntnis pro Meyer bewegen. Dabei ist kaum noch von vorübergehender Schwäche zu sprechen: Meyers von der Partei erzwungener Rückzug reiht sich inzwischen in eine lange Liste von Nackenschlägen ein, in der der Abgang von Fraktionsvize Friedrich Merz und die sinkenden Umfragewerte der Union nur zwei Beispiele von vielen sind. Die Konkurrenz beginnt bereits zu frohlocken: »Es wird einsam um Merkel«, freute sich SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter nach dem Rücktritt ihres vielleicht letzten mächtigen Vertrauten in der CDU-Spitze.
Laurenz Meyer hat sich bei seinem vorläufigen Abschied von der politischen Bühne zu keinem einzigen Wort der Selbstkritik oder des Bedauerns über die politische und moralische Dimension der RWE-Zahlungen durchringen können. Das lässt auch seine frühere Erklärung, ihm sei »mit Blick auf die Probleme vieler Menschen in diesen Tagen bewusst, dass nicht verstanden wird, dass ich seinerzeit dieses Geld angenommen habe«, in einem anderen Licht erscheinen. Als Laurenz Meyer am Mittwoch um 11.31 vor die Presse trat, waren an allem eigentlich nur die anderen Schuld.

Die »Schmerzgrenze« überschritten
Er habe nüchtern festgestellt, so Meyer in launischem Ton, »dass meine Arbeit meiner Partei derzeit mehr schadet als nützt«. Außerdem sehe er für seine Lebensgefährtin und die vier Töchter »die Schmerzgrenze« überschritten. »Deswegen«, andere Gründe nannte Meyer nicht, sei er »ohne Zorn« zurückgetreten. Artig bedankte er sich noch bei der CDU-Chefin für die Zusammenarbeit, vergaß nicht »ganz selbstbewusst« eigene Verdienste zu loben und bot an, »dass sie auch künftig auf mich bauen kann«.
Etwas fahrig und sichtlich angeschlagen äußerte sich am Mittwochnachmittag dann auch Angela Merkel zum Rücktritt Meyers und stellte Volker Kauder als dessen Nachfolger vor - mühte sich aber um die Fassade. Von einem »schweren Tag« war nur in einem Nebensatz die Rede und als einen Fehler wollte sie ihre Entscheidung vom Montag, an Meyer festzuhalten, auch nach dessen Abgang am Mittwoch nicht betrachten.
Zu Beginn seiner Amtszeit als CDU-Generalsekretär Ende Oktober 2000, hatte Laurenz Meyer mit Blick auf seinen glücklos agierenden Vorgänger Ruprecht Polenz erklärt, die CDU-Vorsitzende könne sich keinen weiteren »Missgriff« erlauben. Wenn nicht schon Meyers Berufung einer war - Angela Merkels langes Festhalten an ihrem Generalsekretär trotz der RWE-Affäre war ein solcher allemal.


Stationen des Skandals
Etwas mehr als vier Jahre nach dem Amtsantritt von Laurenz Meyer kommt eine Affäre ins Rollen, die den Sturz des CDU-Generalsekretärs einleitete.

10.Dezember: Die »Berliner Zeitung« berichtet vorab, dass Meyer verbilligten Strom vom Energiekonzern RWE bezieht. Der bestätigt dies und erklärt, dass ein noch bestehender Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen seit seinem Amtsantritt ruhe. Außer dem Stromdeputat kassiere er kein Geld mehr von RWE.
13.Dezember: Die CDU-Spitze stellt sich nach einer Präsidiumssitzung hinter Meyer. Parteichefin Angela Merkel sagt, Meyer habe den Fall erläutert, und dies sei »gemeinhin akzeptiert worden«.
16.Dezember: Es wird bekannt, dass Meyer nach seinem Amtsantritt noch fünf Monate lang Zahlungen von RWE bekommen hat. Berichte, er erhalte nicht nur Strom, sondern auch Gas verbilligt, bestreitet er.
17.Dezember: Meyer erklärt, er habe noch rund 40000 Euro Gehalt von RWE erhalten. Zudem habe er Anspruch auf 19000 Euro an anteiligen Tantiemen und Weihnachtsgeld gehabt. Gleichzeitig räumt er ein, auch verbilligtes Gas zu beziehen. Dass der Rabatt auch für Gas gelte, habe er »eben erst erfahren«.
18.Dezember: Der »Spiegel« berichtet, Meyer habe von Juni 2000 bis April 2001 außer seinem Gehalt noch mindestens 66500 Euro von RWE erhalten.
19.Dezember: Meyer weist die »Spiegel«-Vorwürfe zurück. Erste Rücktrittsforderungen aus den Reihen der CDU werden laut.
20.Dezember: Meyer gesteht seinen »Fehler« ein und kündigt an, einen Teil des Geldes zu spenden. Angela Merkel belässt ihn trotz heftigem innerparteilichen Druck auf seinem Posten.
21.Dezember: »Kohle-Meyer kauft sich frei« titelt eine Boulevardzeitung. Indes wird die Kritik aus der CDU lauter. Die Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein werten Meyers Verhalten als Gefahr für die Landtagswahlkämpfe.
22.Dezember: Meyer tritt ab.
ND
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