Triumphiert in Berlin das Kruzifix?

Humanistischer Verband: Lebenskunde nicht aus der Schule verdrängen

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 2 Min.
Seit die Islamische Föderation in Berlin - nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen - sich das Recht erstritten hatte, Islamunterricht an Schulen durchzuführen, gibt es im Senat Gedankenspiele, das bisherige System der Werteerziehung zu verändern. Bei den Überlegungen allerdings, die aus dem Schulsenat nach außen dringen, würden nicht nur für die Islamische Föderation die Schultore geschlossen bleiben, auch das Fach Lebenskunde würde auf der Strecke bleiben. Das jedenfalls befürchtet der Humanistische Verband als Träger des Faches Lebenskunde. Es wäre Verfassungsbruch, da das Grundgesetz die Gleichbehandlung von nichtchristlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gegenüber den großen christlichen Kirchen vorschreibt. In einem Gutachten legt Dr. von Feldmann, einst Richter am Oberverwaltungsgericht, dar, auf welche abenteuerlichen Pfade sich die Schulverwaltung begeben würde, wenn sie die christlichen Religionen bevorzugt behandelte. Bei der gegenwärtigen Regelung werden Lebenskunde oder Religionsunterricht als freiwilliges, nichtstaatliches Fach angeboten. Bei einer möglichen Neugestaltung der Werteerziehung soll der Schüler dann die Möglichkeit haben, zwischen einem Fach LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) oder einem Bekenntnisunterricht zu wählen. Damit aber würden zwei Grundsätze der Verfassung verletzt: Die Gleichstellung aller Weltanschauungsgemeinschaften und die strikte Trennung von Staat und Kirche. Bei der alleinigen Einführung des Faches LER sieht der Humanistische Verband keine Probleme, dann würden alle Gemeinschaften gleich behandelt. Vor Journalisten wies der Berliner Landesvorsitzende des Humanistischen Verbandes, Dr. Bruno Osuch, auch auf die spezielle Situation in Berlin hin. Danach sind zwei Drittel der Berliner konfessionsfrei, eine Entscheidung zu Gunsten der christlichen Kirchen würde völlig neben der realen Lage in der Stadt liegen. Die humanistische Bewegung war vor 80 Jahren von aufgeklärten Sozialdemokraten ins Leben gerufen worden. Umso fataler wäre es, wenn der Schulsenator diese Linie verlassen wolle, um den Islamunterricht an den Schulen zurückzudrängen. Zwischen der Islamischen Föderation und dem Humanistischen Verband gibt es scharfe weltanschauliche Gegensätze. Allerdings verteidigt der Humanistische Verband den Standpunkt, dass der Islamischen Föderation der rechtliche Status einer Religionsgemeinschaft nicht abgesprochen werden kann. Innerhalb der rot-roten Koalition dürfte ein Modell, bei dem die Trennung von Staat und Kirche verletzt wird, kaum eine Chance haben, wie PDS-Bildungspolitiker betonten. Die Islamische Föderation unterrichtet nach eigenen Angaben zur Zeit an 37 Schulen und erteilt dabei 4000 Schülern Islamunterricht. Tendenz steigend. Das Lebenskunde-Angebot des Humanistischen Verbandes nehmen zur Zeit 36000 Berliner Schüler an.
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