Ärzte-Chef: Bessere Versorgung für alle

KV-Vorsitzender Richter-Reichhelm setzt auf Qualität/Bisher kein Termin beim Regierenden

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
»Wettbewerb« sei die Begründung dafür, am Ende die bislang »einheitliche flächendeckende Versorgung und die freie Arztwahl - eine der größten sozialpolitischen Errungenschaften - dem freien Spiel der Kräfte zu opfern«. Diese Befürchtung äußerte gestern der nach zwölf Jahren aus dem Amt scheidende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV), Dr. Manfred Richter-Reichhelm. Die KV werde ihre Argumente für eine kassenübergreifende einheitliche Versorgung nicht aufgeben, sich aber den neuen Herausforderungen nicht verweigern, versicherte der Mediziner, der gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Dr. Angelika Prehn Journalisten informierte. Man wolle Vorstellungen entwickeln, um bei häufigen Krankheitsbildern zu einer »sektorübergreifenden Integrationsversorgung« in der Stadt zu kommen. »Ziel ist eine bessere Versorgung für alle gesetzlich krankenversicherten Patienten.« Richter-Reichhelm hob hervor, dass es trotz eines zunehmenden Kostendrucks und wachsender Bürokratie bisher gelungen sei, eine qualitativ hochwertige ambulante Versorgung sicherzustellen. »Mehr als jede zweite Leistung, die die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten erbringen, unterliegt einer zusätzlichen Qualitätssicherung durch die KV.« Bisher hätten die Patienten »relativ wenig« von Finanzproblemen gespürt, »weil die niedergelassenen Ärzte weiterhin Leistungen erbringen, die sie nicht bezahlt bekommen«. Für viele Ärzte werde dies aber immer schwieriger. In Berlin gebe es ein dichtes Netz aus Haus-, Facharzt- und psychotherapeutischen Praxen, erläuterte Richter-Reichhelm. 6200 niedergelassene Ärzte und 1500 Psychologische Psychotherapeuten kümmerten sich mit ihren rund 20000 Praxisangestellten um die Gesundheit der Berliner. »Dass wir damit auch eine Jobmaschine sind, wird von der Politik leider kaum beachtet.« Um einen Termin beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe man »mehrfach leider vergeblich« nachgesucht. »Jeder andere Betrieb mit so vielen Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro, der in Schwierigkeiten gerät«, würde hingegen sofort Gehör finden. In seiner Bilanz wies Richter-Reichhelm darauf hin, dass die Zahl der Behandlungsfälle in Berlin von 1995 bis 2003 von 20,8 auf 24,4 Millionen gestiegen sei. Als einen der Gründe für diesen Anstieg nannte er die schlechte soziale Lage und die hohe Arbeitslosigkeit in der Stadt. Beides würde sich »negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken«. Auch der Abbau von fast 20000 Krankenhausbetten seit 1991 und der gleichzeitige Rückgang der Pflegetage von 12,5 auf 6,2 Millionen Tage habe dazu geführt, dass die niedergelassenen Ärzte immer mehr Patienten behandeln müssen. Ab Mitte nächsten Jahres sollen sich auch Patienten über die Qualität von Leistungen informieren können, teilte der Chef der Ärztevereinigung mit. Im Internet können sich dann unter www.kvberlin.de interessierte Bürger informieren, welche Kassenärzte welche qualitätsgesicherten Leistungen anbieten und welche Voraussetzungen, Kontrollen und Prüfungen dazu gefordert sind. Die Berliner Vertragsärzte erzielen heute rund fünf Prozent weniger Umsatz als vor zehn Jahren, »obwohl die Betriebskosten steigen, obwohl mehr und hochwertigere Leistungen erbracht werden«, gab der Vorsitzende zu bedenken. Zum Thema Bürokratie merkte er an, dass im Durchschnitt jeder Vertragsarzt heute zwei Stunden täglich mit der Beantwortung von Kassenanfragen, dem Lesen neuer Vorschriften, dem Ausfüllen von Fragebögen usw. verbringe. Dies sei Zeit, die ihm für die Behandlung seiner Patienten fehle. Solcher Aufwand habe sich...

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