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Schröder oder auch nicht

  • Lesedauer: 3 Min.

Bonn feiert sich in Ferienlaune und läßt spekulieren

Von Wolfgang Rex, Bonn

Schröder soll der Kanzlerkandidat der SPD werden, fordern Gewerkschafter. Kohl soll sich für eine weitere Amtsperiode bewerben, schreibt der »Bayernkurier«. Es ist Ferienzeit in Bonn. Helmut Kohl fastet in Österreich, die Bundesregierung arbeitet nicht. Abgeordnete des Parlaments melden sich zuweilen aus dem Urlaub oder auch nicht. Nachrichten werden kaum produziert, also ist Zeit für Spekulationen.

Natürlich findet sich für jede Spekulation ein Quelle. Im 12. Deutschen Bundestag (1990 bis 1994) diente als Quelle der Abgeordnete Horst Niggemeier (SPD) aus Datteln. Niggemeier lag zur Politik der eigenen Partei so quer, daß er für jedes Thema Schlagzeilen liefern konnte. Fiel irgendeinem am Computer saugenden Redakteur einer Zeitung mit Großbuchstaben nichts mehr ein, rief der den Niggemeier an und forderte ihn auf, doch mal eine SPD-Mitgliederbefragung über das Verhältnis zur PDS zu verlangen.

Niemand wollte die Mitglieder deswegen befragen. Meinungsmachende und andere Zeitungen beschäftigten sich trotzdem über mehrere Tage mit diesem und weiteren Pseudo-Themen. Das einzige Ergebnis: Niggemeier wurde 1994

nicht in den 13. Bundestag gewählt und fällt seitdem als Quelle aus.

Dafür dienen jetzt bayerische DGB-Funktionäre als Vordenker. Die forderten Gerhard Schröder (Niedersachsen) zur Kanzlerkandidatur auf. Ministerpräsident Schröder ließ über einige größere Zeitungen verbreiten, daß alles von den Wahlen in seinem Land abhänge. Schneidet er dort besser ab als zuletzt, würde er auch für Bonn kandidieren. Niedersachsen wählt im nächsten Jahr.

Anfang 1998, so hat SPD-Vorsitzender Oskar Lafontaine angekündigt, werde auch entschieden, wer sich für die SPD um den Regierungsvorsitz bewerben darf Schröder selbst gesteht ein, daß der SPD-Vorsitzende das Recht der ersten Nacht hat. Es gilt als sicher, daß Lafontaine auf dem Parteitag in Hannover am 2. Dezember wiedergewählt wird. Was also sollen die Spekulationen? Sie bringen vielleicht Unruhe in die SPD und beschädigen auf solche Art den Vorsitzenden.

Ähnlich, nur mit anderen Ergebnissen, läuft wohl das Gerede um die nächste Kandidatur Kohls für das Kanzleramt. Es gibt ausreichend Bonn-Astrologen, die Widerstand in der CDU gegen Kohl herbeischreiben, die den Kanzler Monat für Monat stürzen sehen. Mal über eine gro-ße Koalition, mal über die FDP, mal über die angeblichen Kronprinzen Rühe und Schäuble.

Warum sollte sich die CDU von Kohl trennen? Er setzt eine Politik des Abbaus von Sozialstandards erfolgreich und ohne nennenswerten Widerstand durch. Wird der Protest auf der Straße zu laut (Bergarbeiter), springen die Spitzen von SPD und Bündnisgrünen ein und dämpfen den Aufruhr. Schröder wird der nächste Kanzlerkandidat der SPD oder auch nicht. Die jetzige Koalition erfolgreich durch die Wahlen von 1998 zu bringen, das wird allein Kohl zugetraut.

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