nd-aktuell.de / 30.04.1997 / Politik / Seite 4

Leipzig wehrt sich gegen Richterentscheid

Stadt erließ erneut Demonstrationsverbot / Gericht hatte zuvor Kundgebung der Rechtsextremen genehmigt

Leipzig (dpa/ddpADN/ND). Die Stadt Leipzig hat die gerichtlich genehmigte Kundgebung der rechtsextremen NPD am 1. Mai vor dem Völkerschlachtdenkmal erneut verboten. »Neue Erkenntnisse über die Zahl, der Teilnehmer und mögliche Gegendemonstrationen machen dies erforderlich«, erklärte OB Hinrich Lehmann-Grube (SPD) am Dienstag in Leipzig. Es sei zu befürchten, daß die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden könne. Nach seinen Informationen werden mindestens 7500 Teilnehmer zu der Kundgebung erwartet. Außerdem seien an diesem Tag mehrere tausend Linksradikale in der Stadt zu erwarten. Lehmann-Grube sprach von Polizeinotstand.

Das Leipziger Verwaltungsgericht solle die neue Gefahrenlage dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen mitteilen, damit dieses seine Entscheidung überprüfen könne. Die Richter in Bautzen hatten das Verbot der NPD-Kundgebung am Montag abend aufgehoben. Als wesentlich werteten sie, daß die NPD keine verbotene Partei ist. Außerdem stünden genügend Polizeikräfte zu Verfügung.

Sachsens Innenminister Klaus Hardraht (CDU) äußerte sich zuversichtlich, daß das Oberverwaltungsgericht seine

Entscheidung nun revidiert. Dies sei möglich, wenn in einem »Ergänzungsverfahren« neue Aspekte etwa zur Sicherheitslage bei der Demonstration berücksichtigt werden, sagte er gegenüber ddpADN. Er räumte ein, daß ihn die Entscheidung des Bautzner Gerichts zugunsten der NPD-Kundgebung »enttäuscht« habe. Allerdings wolle er sich nicht an einer Gerichtsschelte beteiligen. Er kündigte für den Mai-Feiertag in Leipzig ein massives Polizeiaufgebot an, um Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten »verschiedener Lager« vorzubeugen.

Die Aufhebung des Verbots war bei Gewerkschaften und Parteien auf massive Kritik gestoßen. Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen und der Vorsitzende der PDS-Fraktion im Landtag des Freistaates, Peter Porsch, nahmen den Richterentscheid mit Unverständnis auf. Mit Protest reagierte ebenfalls die PDS-Fraktion im' Landtag von Sachsen-Anhalt. Lucassen forderte die Gewerkschafter auf, zur Demonstration für Arbeit und soziale Gerechtigkeit nach Leipzig zu kommen. Das Leipziger »Bündnis gegen Rechts« will dem eventuellen Aufmarsch der NPD einer Gegen-Demo entgegensetzen. Ein Berliner Aktionsbündnis rief auf, sich daran zu beteiligen. Kommentar Seite 2