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uimmMmm Von unten mobilisieren

Jusos diskutierten mit linken Politikern über »Die Einheit, die wir meinen!«

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Claus Dümde

»Kohl muß weg« greift zu kurz. Um eine neue Politik durchzusetzen, ist Zusammenarbeit der Linken nötig, braucht's kraftvolle Bündnisse, die in die Parlamente hineinwirken. Darüberwaren sich Jusos und Politiker von SPD, PDS und Bündnisgrünen bei einer Debatte in Berlin über die Erfurter Erklärung einig.

Dieser Aufruf an die Menschen freut mich«, sagte Sigrun Klemmer, Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete zu Beginn der Debatte am Montagabend im Willy-Brandt-Haus, bei der auch SPD-Vize Wolfgang Thierse vorbeischaute. Juso-Landesvorsitzender Matthias Linnekugel hatte nach dem vom Bundespräsidenten beklagten Reformstau gefragt. Roman Herzogs »Berliner Rede« sei »das große Getöse« nicht wert, befand Frau Klemmer »Weil der Weg aus der desolaten Situation falsch beschrieben ist.« Unter ökonomischem und finanziellem Druck habe die Politik das Heft des Handelns aus der Hand gegeben. Wichtig an der Erfurter Erklärung sei, daß sie »wieder beginnt, von unten zu mobilisieren«. Sie könne »Tabus der Parteigrenzen et-

was aufheben«, hofft der Bündnisgrüne Willi Brüggen. Es gehe um »Schnittmengen«, was man gemeinsam anfangen kann. PDS-Wahlkampfchef Andre Brie bedauerte, daß die Erklärung weitgehend unter dem Aspekt PDS und Osten diskutiert wird statt unter dem der »Bewegung von unten«. Für Mitunterzeichner Edelbert Richter, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Weimar, ist wichtig, daß sich damit auch Intellektuelle wieder zu Wort meldeten. Zuerst müsse man ganz stark die Gemeinsamkeiten unterstreichen -»dann machen wir die Detaildiskussion«.

Ganz wichtig fand Sigrun Klemmer, »daß wir uns im vorparlamentarischen Raum nicht auseinanderdividieren lassen«. Da dürfe man nicht ständig nur auf den Wahlkampf und die Parteiprogramme gucken. Brüggen plädierte dafür, »Umwege« zu suchen, »damit man nicht immer wieder durch das Nadelöhr der Partei- und Wahlpolitik muß«. Gemeinsam an Konzepten zu arbeiten, sei auch für die Zeit nach den Wahlen wichtig.

Wie solch ein Konzept aussehen müßte, war allerdings strittig. Brüggen sieht vor den Linken »schon jetzt eine neue gesellschaftspolitische Grundsatzdebatte«. Da das fordistische System im Westen ebenso zusammengebrochen sei wie das realsozialistische, stelle sich als Alternative: Re-Feudalisierung der bürgerlichen

Gesellschaft durch Teilung in »Hochleistungsarbeiter« und jene, die »in einer Art Leibeigenschaft« dazu verurteilt sind, ihnen zu helfen, oder »New Deal« in Richtung ökologische Gesellschaft durch radikale Arbeitszeitverkürzung, neue Teilung der Arbeit und Erschließen neuer Felder der Reichtumsproduktion

Während Brüggen ein »Gesamtkonzept« forderte, hält Brie den »großen Gegenentwurf« nicht für praktikabel. Er setzt auf »archimedische Punkte« wie Vollbeschäftigung, Solidarität, sozialökologische Reformen.

Ein Hauptpunkt der Debatte war, wie die Hegemonie liberal-konservativer Rezepte zur Krisenbewältigung in der öffentlichen Diskussion überwunden werden kann. Man dürfe sich »Schlagetotbegriffe« wie Globalisierung und Standort nicht oktroyieren lassen, forderte Frau Klemmer Alle glaubten daran, daß man sparen müssen, sagte Richter. Das erinnere ihn an die in der DDR geforderte »Einsicht in die Notwendigkeit«. Da sei »ganz elementare Aufklärung« nötig.

Wie wichtig das ist, zeigte sich am gleichen Abend im Fernsehen. Die ARD-Sondersendung »Arbeit für alle - eine Illusion« hörte wie selbstverständlich mit folgendem Moderatoren-Statement auf: »Jetzt heißt es opfern, verzichten und teilen - und nicht nur für die Arbeitslosen.«

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