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mm Den Forschern fehlt es noch an Industrie

Größter Neubau der Fraunhofer-Gesellschaft in Ostdeutschland eingeweiht Von Marcel Braumann, Dresden

  • Lesedauer: 3 Min.

Räumlich in den Fußstapfen der DDR-Wissenschaft, aber an den Bedürfnissen heutiger Wirtschaft orientiert, brauchen die Forscher vom Fraunhofer-Institut jetzt vor allem Kunden.

Im Unterschied zur Max-Planck-Gesellschaft, die sich um Grundlagenforschung kümmert, will die Fraunhofer-Gesellschaft »die Probleme der Kunden lösen«. Diese anwendungsorientierte Ausrichtung, von der Prof. Eckhard Beyer, Leiter des Dresdner Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) gestern in Dresden der Presse erzählte, hat derzeit nur einen Haken: »Im Osten fehlt die industrielle Basis«, fehlt es an potentiellen Kunden.

Wie Beyer an seinem vorherigen Arbeitsplatz in Aachen wissenschaftliche

Erkenntnisse vermarktet hat, gab er auch zum besten: Da wurde mal eben bei einem halben Dutzend Geschäftsführern angerufen, die früher bei ihm promoviert haben, und schon ließ einer der Herren Industrie-Gelder fließen. Die Fraunhofer-Gesellschaft greift zwar mit einer Sonderförderung Ost ihren Töchtern in den neuen Bundesländern unter die Arme, aber nur noch bis zum Jahr 2000.

So ist auch die Grußadresse, die Dresdens Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) frohlockend übermittelte, mehr ein Dokument kühner Hoffnung: »Die Chancen der deutschen Einheit - wir Dresdner nutzen sie.« Wagner lobt die Stärkung des traditionsreichen Wissenschaftsstandorts Dresden und verspricht sich viel vom »Brückenschlag zwischen Forschung und Wirtschaft«. Nach Abriß, Erweiterung und Neubau sollen an der Winterbergstraße vier Fraunhofer-Institute ihr langfristiges Domizil finden.

Neben dem IWS sind die Institute für Keramische Technologien und Sinter-

werkstoffe (IKTS) sowie Angewandte Materialforschung (IFAM) schon eingezogen, letzteres als Außenstelle des Instituts für Pulvermetallurgie und Verbundwerkstoffe. Hinzu kommt noch das Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP). Der Standort ist keineswegs jungfräulich, schon zu DDR-Zeiten existierten hier eine Einrichtung für Keramische Technologien und Sinterwerkstoffe, au-ßerdem Arbeitsgruppen des Instituts für Festkörper- und Werkstofforschung. l Das 41000 Quadratmeter große * Grundstück hat die Fraunhofer-Gesellschaft von der Stadt Dresden in Form eines kostenlosen Erbbaurechts günstig erhalten. »Schon zu DDR-Zeiten war Dresden eines der bedeutenden Zentren der Materialforschung«, hat sich immerhin bis zum Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesforschungsminister, Paul Neumann, herumgesprochen. Da die Materialforschung für 18 der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen mit 3,2 Millionen Beschäftigten einen hohen

Stellenwert hat, hofft Dresden auf seinen Anteil vom Kuchen.

Über 90 Millionen Mark Steuergelder wurden von Bund und Land zu gleichen Teilen in Neubauten und Erstausstattung der drei Institute gesteckt, die 250 Mitarbeiter beschäftigen. Ihre Leiter wurden zu Professoren an der Fakultät Maschinenbau der Technischen Universität Dresden berufen. Dies sichert die gewünschte »Verflechtung«, wie es Prof. Waldemar Hermel, Chef des IKTS, vor der Presse nannte.

Als; Beispiel für praktischen Nutzen erwähnte Prof. Bernd Kiesback vom IFAM die Arbeit an Bremssystemen für Hochgeschwindigkeitszüge, die auch bei extremen Witterungsbedingungen optimal funktionieren sollen. Prof. Beyer berichtete über die Konzeption der Beschichtung von Automotoren, die bei höherer Temperatur weniger Benzin verbrauchen.' Überhaupt ist die Automobilindustrie ein wichtiger Partner der Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut.

Bei entsprechender Nachfrage könne die Dresdner Einrichtung »beliebig wachsen«, sagte Prof. Beyer, aber »wenn wir keine Aufträge haben, müssen wir wieder schrumpfen«. Zur Zeit werden erst 22 Prozent des“Betriebshaushalts des IWS durch Industrie-Erträge gedeckt. IKTS kann sieben'von 12,5 Millionen Mark Etat durch Erträge decken, von denen die Hälfte aus der Industrie kommen.

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