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Lügen haben pressefreie Beine

Berliner PDS klagte gegen CDU-Mann und Springer wegen eines bösartigen Interviews Von Peter Kirschey

  • Lesedauer: 2 Min.

Was für einen Mist darf einer in einem Interview alles erzählen? Ist eine Redaktion für den Inhalt des Gesagten mitverantwortlich? Der Fall, der gestern auf Antrag der Berliner PDS vor dem Zivilsenat des Berliner Landgerichts zur Verhandlung stand, befaßte sich mit einer solchen Geschichte.

Der Vorsitzende des Verfassungsausschuß im Berliner Abgeordnetenhaus, Andreas Gram von der CDU - und als solcher war er auch angekündigt - hatte am 25. November in einem Interview mit der »BILD«-Zeitung unter der Schlagzeile »7 PDS-Gruppen verfolgen verfassungs-

feindliche Ziele« erklärt, die PDS sei »eindeutig keine demokratische Partei«, da sie »die Formel von der Diktatur des Proletariats im Programm« führe. Außerdem versuchte Herr Gram, die PDS indirekt für einen Anschlag auf einen Straßenbahnwagen in Friedrichshain verantwortlich zu machen. Zitat: »Es steht für mich nach den im Ausschuß bekanntgegebenen Erkenntnissen fest, daß Teile der PDS Verbindungen zur autonomen Szene haben. Diese Szene ist gewaltbereit und verübte zum Beispiel den Anschlag auf die Straßenbahn in Friedrichshain.« Natürlich ist es auch dem interviewten CDU-Mann klar, daß es dafür keinerlei Beweise gibt. Doch es paßt so schön in das politische Weltbild.

Nun ist Gram kein verirrter Kneipenganger, der im Suff irgendwelchen Blödsinn daherredet, und »BILD« keine Vorortpostille ohne Leserschaft. Das Ganze hat Methode. Hier sollten offensichtlich die PDS gezielt diskreditiert und Ängste vor der roten Gefahr aus dem Osten geschürt werden.

Für die Berliner PDS war damit jedenfalls die Grenze der Meinungsfreiheit überschritten, sie klagte auf Unterlassung solcher Behauptungen.

Das Gericht bewertete das Anti-PDS-Interview anders. Das Gesagte stelle die zulässige Privatmeinung von Herrn Gram dar und enthalte keine Tatsachenbehauptung. Die PDS müsse sich in der politischen Auseinandersetzung gefallen lassen, daß ihre Gegner der Meinung seien, die Partei habe die Umwandlung von der SED zu einer demokratischen Partei noch nicht gepackt. Außerdem sagten der Herr Innensenator und viele andere genau dasselbe. Schließlich meinte das Gericht noch, man sollte nicht jedes Wort eines Politiker auf die Goldwaage legen. Man käme aus dem Wiegen gar nicht mehr raus.

Die Presse, so das Fazit der Kammer, habe das Recht, solche Interviews zu verbreiten. Es wies damit die Klage ab.

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