nd-aktuell.de / 11.07.1997 / Politik / Seite 5

Em Nur ein »Magermilchlieferant«

Trotz MfS-Verwicklung Freispruch für Ex-Landrat Von Volker Müller

Mit einem Freispruch endete am Mittwoch nach vierVerhandlungstagen das Verfahren gegen Ex-Landrat Dr. Winfried Eichler (CDU) vor dem Amtsgericht Auerbach.

Die Staatsanwaltschaft Zwickau legte Eichler Anstellungsbetrug zur Last und plädierte für eine Geldstrafe von 10 000 Mark. Eichler hatte 1991 und

1994 bei offiziellen Befragungen eine Arbeit für das Ministerium für Staatssicherheit verneint, obwohl er 1985 bis 1989 als stellvertretender Leiter eines Staatsplanvorhabens der Stasi Berichte geliefert hatte.

Das Gericht sah in seiner Urteilsbegründung lediglich den Tatbestand der Täuschung erfüllt. Ob der Angeklagte deshalb tatsächlich als Landrat nicht mehr tragbar gewesen wäre, hätte nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Januar

1995 ein politisches Gremium entscheiden müssen. Dazu sei es wegen des raschen Rücktritts des Politikers jedoch nicht gekommen.

Vor dem Hintergrund des sogenannten Maiwald-Urteils des sächsischen Verfassungsgerichtshofs sah das Schöffengericht in Auerbach ein Votum für den Verbleib Eichlers im Amt als durchaus möglich an. Nach dieser Rechtsprechung sei

nicht allein eine MfS-Zusammenarbeit ausschlaggebend; es müsse dabei auch ethisch Verwerfliches geschehen sein. Dies, so Richter Horst Liebhaber, sei nicht der Fall gewesen: »Eichler hat der Stasi nur Magermilch geliefert.«

Nach der Urteilsbegründung erklärte der Bayer Liebhaber, er habe sich als Richter in diesem Prozeß, der zur falschen Zeit und am falschen Ort stattfand, mißbraucht gefühlt. Unter Bezug auf eine vermutete politische Intrige der sächsischen Landesregierung sagte er- »Ich werde mich hüten, den schlechten Geruch, der dieser Sache anhaftet, zu verscheuchen.«

Einen Nachgeschmack hinterläßt der Prozeß auch, weil die Anklage einem jungen Staatsanwalt übertragen wurde, der sich in seiner Probezeit befindet.

Zwei Zeugen hatten zudem zu Protokoll gegeben, daß seitens des Regierungspräsidiums Chemnitz im Januar 1995 vehement ein sofortiger Rücktritt Eichlers gefordert wurde. Sollte der Fall gar nicht erst vor dem sogenannten Bewertungsausschuß des Kreistags verhandelt werden? Dieser Ausschuß hätte dem Parlament ein Verbleiben des damaligen Landrates im Amt empfehlen können. Damit wäre in der heißen Phase der sächsischen Gebietsreform ein einflußreicher Gegner eines großen, 230 000 Einwohner zählenden Vogtlandkreises im Spiel geblieben.