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Landwirtschaft am Oderufer: Bauern, Nachbarn, Bürokraten-wie Schaden gemeinsam zu begrenzen ist

  • Rene Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Jeder Zentimeter, den das Hochwasser nachgibt, weckt Hoffnung. Bei jenen, die von der Katastrophe verschont wurden. Bei Betroffenen, die nun das Ausmaß der Schäden sehen, wächst Verzweiflung.

Wolfgang Reich wohnt in Wellmitz, das ist nur ein paar Minuten vom Oder-Neiße-Zusammenfluß entfernt. Dort, bei Ratzdorf, das seit einigen Wochen in den Katastrophen-Schlagzeilen steht, hat Reich Ställe und Weiden. Reich ist Tierzüchter mit Leib und Seele. Seit 1956. Im ehemaligen Volkseigenen Gut hatte er's bis zum Leiter Tierzucht gebracht. Nun ist er das, was man im Osten Wiedereinrichter nennt. Wie lange noch? »Zum Wieder-Wiedereinrichter fehlt mir die Kraft.«

Reich besitzt 186 Hektar. Davon sind derzeit noch zehn Hektar Grünland und zehn Hektar Acker nutzbar »Auf höher gelegenen Flächen. Jeder Landwirt weiß, daß die nicht so ertragreich sind.« Auf der Verlustliste stehen 20 Hektar Getreide an der Neiße, im Bereich Neuzelle versank-Grünland. »Wenn Sie mit dem Boot über meine Wiesen fahren, dann können Sie Heurollen schwimmen und Silage abtreiben sehen.«

Ende vergangener Woche hat Reich gedroschen. Das bißchen Roggen ist schnell abgeerntet. Mit dem geplanten Verkauf von Getreide hat der Züchte also »keine Probleme«. Umso mehr mit fehlendem Stroh für seine 70 Mutterkühe und die Nachzucht. »Die Tiere kalben, ich muß ihnen schon in Sommerzeiten Heu hinwerfen. Was das werden soll...«

Noch glimmt ein Rest von Ich-geb'nicht-auf! »Meine Tiere wären ersoffen, hätte Herr Wellkisch nicht gesagt: >Treib deine Tiere hoch auf meine Wiesenk Als das erste Stück abgeweidet war, sagte er- >Zäun dir ein neues Stück ein.<« Nun meinte Wellkisch, man habe da noch Stroh, wenn Reich wolle

Wellkisch - wer ist dieser gute Mann vom Oderufer? »Ein Bauer«, sagt er selbst und rät, das Gerede vom »guten Menschen« schleunigst zu beenden. Hans-Dieter Wellkisch ist Vorstandsvorsitzender der »fast gesunden« Agrargenossenschaft Neuzelle.

Nach der Stunde Null habe man das Gesamtvermögen, an dem über tausend Menschen beteiligt waren, ehrlich, »wie es unter Bauern üblich ist«, bewertet. Das große Hacken und ewiger Gerichtsstreit blieben aus. »Wir fanden gemeinsam eine Regelung, damit die Genossenschaft weiterarbeiten konnte.« Zugleich habe man eine Art Altenteil ausbezahlt. »Auch als Naturalien. Der halbe Preis, den Neuzeller an unserer Fleischtheke zahlen, hat damit zu tun.«

Zwei »M« macht Wellkisch für die schwarzen Zahlen seiner Genossenschaft verantwortlich: »Management und Motivation.« Da beides stimme, haben 160 Leute Arbeit. Im vergangenen Jahr stellte man sogar 30 ein. »Wir haben einen Schlachthof gebaut, ein Handelsunternehmen aufgezogen und verkaufen die

Die Wiesen bleiben noch monatelang eine Beute der Oder. Als die Helfer begannen, sich den Fluten entgegenzustellen, schickte Hans-Dieter Wellkisch 250 Bockwürste nach Ratzdorf. Und er versprach den Feuerwehrleuten ein Schwein zum Siegesfest

ND-Fotos: Rene Heilig

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