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es? Alte Fenster wieder neu

Berliner HolzCleanic möbelt altes Holz wieder auf und schont die Umwelt Von Karin Wenk

  • Lesedauer: 4 Min.

Alte Fenster, Türen mit und ohne Verglasung, geschnitzte Spiegelrahmen, hölzerne Treppengeländer, Möbel aller Art haben oft im Laufe der Jahre eine dicke Lackhaut erhalten. Kunstvolle Verzierungen sind kaum noch sichtbar, das Holz ist rissig geworden, der Wurm ist drin. Die Berliner HolzCleanic versucht Holzteile auf umweltfreundliche Weise wieder aufzumöbeln.

bbrennen oder Abbeizen sind bisher übliche Methoden für den Hausgebrauch und im Handwerk, um beispielsweise Fenstern ein neues Outfit zu geben. Oder aber die Rahmen fliegen einfach auf den Müll. Mit einem neuen umweltfreundlichen Entlaugungsverfahren geht die HolzCleanic in Berlin-Wei-ßensee ein anderen Weg. Die hölzernen Teile werden in eine hermetisch abgeschlossene Laugenkammer gehängt. Aus kleinen Düsen, die sich an einem Rahmen befestigt auf und ab bewegen, wird computergesteuert heiße Natronlauge auf das Holz gesprüht. Im Unterschied zum herkömmlichen Laugenbad, in das die Teile

eingetaucht werden, gelangt die Chemikalie in jede Ritze und löst dabei die Farbe auf, ohne in das Holz einzudringen. Auch bei verwinkelt zusammengesetzten Holzteilen bleiben kaum Farbreste übrig. Das Ganze dauert 8 bis 10 Minuten. Unter Hochdruck wird der Lack anschließend mit klarem Wasser abgespült. Nach einem kurzen Bad in Phosphorsäure zur Neutralisation geht es nochmals unter den Wasserstrahl.

Dann kommen die Holzteile in den Trockenraum. Langsam, mitunter mehrere Tage, trocknen sie bis zum natürlichen Feuchtigkeitsgehalt des Holzes. Bei der anschließenden zweistündigen Erhitzung auf 55 °C hauchen dann auch die letzten Holzwürmer ihr Leben aus und » das Holz ist wieder fast wie neu. Die benachbarte Tischlerei kann schadhafte Teile an Fenstern oder Möbeln ausgewechsein.

60 bis 100 Türen oder Fenster können täglich in der Anlage behandelt werden, erklärt der technische Leiter Alexander Herrmann. Der 28jährige steht den Kunden auch mit Ratschlägen zur Seite, wenn es darum geht, welche Hölzer wie zu behandeln sind. Die Kundschaft setzt sich jeweils zur Hälfte aus Firmen wie Handwerksbetrieben, Bauunternehmen, Wohnungsgesellschaften oder öffentlichen

Einrichtungen und aus privaten Auftraggebern zusammen. So zählt zum Beispiel das Schloß Fürstenberg oder auch das Potsdamer Schloß Sanssouci zu den Kunden der HolzCleanic.

In den zwei zirka 20 Kubikmeter gro-ßen Kammern können sowohl Weich- als auch Harthölzer gelaugt werden. Harthölzer können darüber hinaus auch noch in einer Sandstrahlanlage mit Glasgries entlackt werden. Dabei bleiben auch Sperrholz und Furniere besser erhalten. Beim Laugen werden sie mitunter beschädigt, da sich der Leim löst.

Vergleichbare Anlagen gibt es insgesamt fünfmal in Deutschland - in Berlin, Reutlingen, Karlsruhe, Frankfurt/Main und Chemnitz. 1,1 Millionen Mark wurden in Berlin investiert. Mit 600 000 Mark förderte der Senat der Hauptstadt das ökologische Projekt.

In den Neubauten der Berliner Holz-Cleanic, die zur Divergenz GmbH, einem Bauplanungsunternehmen für soziale Projekte, gehört, ist die Luft klar und sauber. Mit giftigen Dämpfen kommen die Holzbearbeiter nicht in Berührung, da sich alles in der Kammer abspielt. Die Lauge wird bei voller Auslastung der Anlage zirka eine Woche lang im geschlossenen Kreislauf wiederverwendet. Das abgespülte Gemisch aus Wasser, Lauge

und Lacken läuft in eine Bodenwanne und gelangt von dort in die Wiederaufbereitungsanlage. Dort wird in einer Kammerfilterpresse buchstäblich bis auf den letzten Tropfen alles Wasser wieder herausgepreßt. Übrig bleiben die Farbreste in Form von handlichen braunen »Riesenkeksen«, die von der Stadtreinigung als Sondermüll entsorgt werden. Das Brauchwasser wird erneut in den Kreislauf der Anlage gespeist und für den ersten Spülvorgang in der Kammer genutzt.

Ein auf dem Gelände der HolzCleanic befindliches Blockheizkraftwerk, das mit Erdgas betrieben wird, liefert den Strom für die Tischlerei und die Wärme zum Heizen der Natronlauge.

Bisher sei die seit nahezu zwei Jahren betriebene »Waschanlage« für Holz zu 70 Prozent ausgelastet, so Alexander Herrmann. Vielen Bauherren scheine es einfacher, alte Teile wegzuwerfen, anstatt sie schonend erneuern zu lassen und damit auch für die Umwelt etwas zu tun. Ökologisches Denken müsse sich eben erst durchsetzen, benennt der gelernte Landmaschinenschlosser einige Ursachen. Am Geld könne es nicht liegen, ist er überzeugt, denn die Preise seien moderat. So kostet das Entlaugen von Türen zwischen 110 und 180 Mark.

Probleme bereiten den professionellen Entlackern derzeit noch die PUR-Lacke. Diese in der DDR auch für Türen und Fenster verwendeten Lacke sind gegen die bei HolzCleanic verwendete Lauge fast immun. Neueste Laborversuche, so Herrmann, lassen jedoch auf eine Lösung hoffen.

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