In welcher Weise man ein Gespräch führt...

Berichterstattung freier Radios beschnitten /Journalisten Union kritisiert Einschüchterungsaktion

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Immer wieder wird die Arbeit alternativer Radio-Kooperativen von der Polizei eingeschränkt. So soll kritische Berichterstattung behindert werden, vermuten Betroffene nach zwei jüngeren Beispiele aus dem Nordwesten.
Als kürzlich die NPD zu einem Marsch durch Kiel aufrief, sollte es eigentlich eine antifaschistische, kritische Berichterstattung im Offenen Kanal Kiel geben. Doch während 10000 Menschen gegen die Nazis protestierten, blieb das Radio stumm. »Wir hatten am Vorabend die Sendung vorproduziert. Als wir morgens auf Sendung gehen wollten, standen wir vor verschlossenen Türen. Die Schlösser waren über Nacht ausgetauscht worden«, sagt Klaus Lorenzen von der Freien Radiokooperative Husum.
Bereits zehn Tage vor dem Naziaufmarsch hatten sich Mitglieder der Kooperative zusammen mit Mitarbeitern des Hamburger Freien Senders Kombinats (FSK) an die Arbeit gemacht, kritisch über die Hintergründe zu berichten. Doch obwohl die Absprache mit dem Offenen Kanal (OK) stand, sah man sich am Tag der Demo vor verschlossenen Pforten. »Aus Sicherheitsgründen geschlossen«, verkündete ein Zettel an der Tür.
Den hatte Peter Willers, Schleswig-Holsteins Beauftragter für den Offenen Kanal, aufgehängt. Gegenüber ND wollte sich Willers nicht äußern. Auf Nachfragen des Anwalts der betroffenen Radiogruppen teilte der Justiziar der Unabhängigen Landesrundfunkanstalt Schleswig-Holstein schließlich mit, die Polizei hätte erklärt, sie könne die Sicherheit des OK nicht gewährleisten und Rechtsextreme hätten Störungen angekündigt. »Es ist schon komisch, dass die Polizei den Naziaufmarsch, aber nicht den OK schützen kann. Wir vermuten, dass die Einbindung des FSK der Polizei nicht geheuer war«, erklärte dagegen Lorenzen.

Täglich kritisch vor Ort
Das linksalternative FSK ist der Polizei schon längere Zeit ein Dorn im Auge. Als im Oktober 2003 in Hamburg die Wagenburg Bambule geräumt wurde, berichtete FSK fast täglich als eine der wenigen Ausnahmen kritisch von den Ereignissen. So auch Ende Oktober. Da versuchte der Radioredakteur Werner Pomrehn, etwas über den Verbleib von zwei verletzten Demonstranten zu erfahren. Da diese Vorfälle in keiner Pressemitteilung auftauchten, hakte Pomrehn beim Polizeipressesprecher Ralf Kunz telefonisch nach - und sendete das Gespräch später als Interview.
Vier Wochen nach Ausstrahlung durchsuchte ein Großaufgebot der Polizei die Senderäume, unterbrach die laufende Sendung und filzte schließlich auch die Privatwohnung Pomrehns. Der Vorwurf: Das Interview sei ohne Rücksprache gesendet worden. Angeblich waren die Beamten auf der Suche nach dem Sendemitschnitt - den man auf Anfrage auch beim Sender selbst erhalten hätte. Ohne Razzia.
Gegen Pomrehn wurde schließlich wegen »Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes« prozessiert. Er habe unberechtigterweise das Aufzeichnungsgerät eingeschaltet und den Polizeipressesprecher nicht von der Sendeabsicht in Kenntnis gesetzt. Pomrehn kann dem nicht folgen: »Ich hatte mich mit meinem Namen und FSK gemeldet und keinen Zweifel daran, dass ich die Gespräche veröffentlichen durfte.«

Spagat beim Urteil
Amtsrichter Thomas Semprich sah dies bei einem Verhandlungstermin zunächst ähnlich - machte dann aber in seinem Urteil einen Spagat. Die Inhalte des Gespräches seien zwar durchaus von öffentlichem Interesse, aber es sei ein Unterschied, so Semprich in seiner Urteilsbegründung, »in welcher Art und Weise man ein Gespräch führt und ob man jedes peinliche Äh und Stottern sendet«. Pomrehn wurde zu 80 Tagessätzen verurteilt. Immerhin sah auch das Gericht die Durchsuchungen als bedenklich an.
Für den Hamburger Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Journalisten Union, Fritz Gleiß, handelt es sich bei der ganzen Sache dennoch um eine »politisch motivierte Einschüchterungsaktion«. Die AG Radio des FSK hat unterdessen Verfassungsklage wegen der Polizeimaßnahmen eingereicht.
www.freie-radios.de/frc-husum

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