Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Als Totschläger verurteilt, Krenz in Haft

Sechs Jahre, sechs Monate für letzten SED-Generalsekretär, jeweils drei Jahre für Schabowski und Kleiber / Revision angekündigt

  • Lesedauer: 2 Min.

Im Politbüroprozeß vorm Berliner Landgericht hat die 27. Große Strafkammer am Montag Egon Krenz zu sechseinhalb, Günter Schabowski und Günther Kleiber zu je drei Jahren Haft verurteilt. Sie befand Krenz des vierfachen, seine Mitangeklagten des dreifachen Totschlags »in minderschwerem Fall« für schuldig.

Berlin (ND-Dümde/Liebsch). Krenz sei als »mittelbarer Täter« für den Tod von Michael-Horst Schmidt, alle drei gemeinsam für den Tod von Michael Bittner, Lutz Schmidt und Chris Gueffroy verantwortlich, die zwischen 1984/89 an der Grenze zu Westberlin infolge von Schußverletzungen durch Grenzposten starben,

sagte der Vorsitzende Richter Josef Hoch in der mündlichen Urteilsbegründung. Durch die Mitwirkung von Krenz an zwei Beschlüssen des DDR-Verteidigungsrates und die aller Angeklagten an zwei Politbürobeschlüssen seien sie nach DDR-Recht der Anstiftung zum Mord, nach milderem BRD-Recht des Totschlags in »mittelbarer Täterschaft« schuldig. Sie hätten damit »eine Befehlskette in Gang gesetzt, an deren Ende die Inkaufnahme und Verursachung von Todesschüssen stand«. Die DDR-Grenztruppen seien »an politi- , sehe Vorgaben der SED gebunden« gewesen, deren Jahresbefehle »basierten auf dem Klassenauftrag zur Grenzsicherung«. Er sei »in der Tat ein ideologischer Schießbefehl« gewesen.

»Wer Herrschaft über das tödliche Geschehen inne hat, ist nicht nur des Unterlassens schuldig«, sagte Hoch. »Ihnen

ging es nicht darum, Menschen zu töten«, billigte er den Angeklagten zu. Krenz habe sich sogar »ernsthaft um die Reduzierung des Schußwaffengebrauchs bemüht«. Doch hätte er wie Schabowski und Kleiber »aus falsch verstandenem staatlichem Interesse gehandelt«. Da sie wußten, daß es bei der Grenzsicherung zu Todesfällen kommen kann, hätten sie schuldhaft mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Schabowski und Kleiber billigte das Gericht aber im Gegensatz zu Krenz einen »Verbotsirrtum« zu. Auch habe ihr Aussageverhalten zur Sachaufklärung beigetragen.

Krenz, dem schon am Freitag die gestern im Gerichtssaal vollzogene Verhaftung signalisiert worden war, hatte eine Erklärung vorbereitet, die sein Sohn Carsten am Nachmittag auf einer Pressekonferenz mit den Verteidigern verlas.

Darin wertet der letzte Politbürochef seine Verhaftung als »Ausdruck von Gesinnungsjustiz« und greift Bundespräsident Herzog an, weil er sich »während des Prozesses öffentlich im Sinne der Anklage« äußerte. Angesichts solch »höchst offizieller Vorverurteilung« habe er ein gerechtes Urteil nie erwartet.

Krenz appellierte an seine Verhandlungspartner aus der alten Bundesrepublik, sich an die »Gespräche mit uns vor 1990« zu erinnern. »Es muß endlich über

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal