nd-aktuell.de / 26.08.1997 / Politik / Seite 5

Vorm Spitzeln PDS fragen?

Landtagsjuristen: Kontrolle des Verfassungsschutzes bisher mangelhaft Sachsen Von Marcel Braumann. Dresden

Der sächsische Verfassungsschutz werkelt in einer verfassungswidrigen Dunkelzone: Ein Rechtsgutachten der Landtagsverwaltung sorgt für Wirbel.

Den Stein ins Rollen brachte Ralf Donner, der in der letzten Wahlperiode für Bündnis 90/Die Grünen im Landtag und der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) saß. Der Grünen-Politiker schrieb an den Landtagspräsidenten, daß das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zum umstrittenen Polizeigesetz Auswirkungen auf den Umgang mit dem Verfassungsschutz haben müsse. Das Gericht hatte angemahnt, daß der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel laut Landesverfassung einer effektiven gerichtlichen oder parlamentarischen Kontrolle zu unterziehen sei.

Auf Initiative der PDS-Fraktion gab die PKK daraufhin ein Gutachten beim Juristischen Dienst des Sächsischen Landtags in Auftrag. Die Landtagsjuristen mühten sich ein halbes Jahr lang und legten schließlich ein Rechtsgutachten vor, das es in sich hat. Denn damit sei klar, so Andre Hahn, Parlamentarischer Geschäftsführer und PDS-Vertreter in der PKK, daß die bisherige Praxis der Kontrolle und des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel »in keiner Weise den

Anforderungen der Sächsischen Verfassung genügen«.

Die fünf PKK-Mitglieder - drei CDU-Abgeordnete, ein SPD- und ein PDS-Mann müssen nach dem sächsischen Verfassungsschutzgesetz bislang nur mindestens zweimal im Jahr zusammentreten und erhalten lediglich anonymisierte Meldungen. Eine öffentliche Stellungnahme ist nur möglich, wenn's die Mehrheit abnickt, und nur dann kann auch die Minderheit ein eigenes Votum abgeben. Das soll nun alles anders werden, denn »man muß den Unterschied sehen, nachdem die PDS in der PKK vertreten ist«, so Hahn gestern in Dresden.

Wohl aus diesem Grunde hatte sich die CDU-Mehrheit im Landtag in verfassungswidriger Weise, so die Leipziger Richter, lange geweigert, überhaupt einen Abgesandten der PDS ins geheime Gremium zu lassen. Der verlangt nun prompt eine sofortige Umstellung der Arbeit der Kommission und eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes, das offenbar selber nicht ganz im Einklang mit der Verfassung steht. Klar ist nach dem Gutachten: Die PKK-Leute müssen im Regelfall vor Spitzelaktionen der Beamten des Verfassungsschutzes informiert werden, im Ausnahmefall habe »eine unverzügliche nachträgliche Kontrolle zu erfolgen«.

Die Landtagsjuristen erheben die Forderung nach »funktionaler Äquivalenz von parlamentarischer zu richterlicher

Kontrolle«. Das bedeutet einen Einfluß der Abgeordneten auf Horch-und-Guck-Maßnahmen, die dem Beschluß eines Richters vor dem polizeilichen Lauschangriff in der Wirkung gleichkommt.

Im Klartext: Wenn der Verfassungsschutz etwa einen Akteur der Kommunistischen Plattform der PDS nachrichtendienstlich »bearbeiteten« will, muß künftig auch der PDS-Politiker Hahn im Rahmen der PKK vorher von dem konkreten Einsatz informiert werden.

Spannend wird's, wenn das aufsichtführende Innenministerium trotz der Ablehnung durch die PKK eine Schnüffelmaßnahme abnickt. Dann müsse, so das Rechtsgutachten, die PKK die »Möglichkeit zur Einschaltung der Öffentlichkeit« haben. Außerdem habe jedes Mitglied der PKK das Recht, sich mit einer allgemein formulierten Rüge ans Landtagsplenum zu wenden und zu erklären, es werde unzureichend informiert. Ungeachtet von Geheimhaltungsvorschriften gelte:

»Transparenz ist aber notwendig, um nicht einer etwa im Einzelfall willkürlichen Anwendung des Letztentscheidungsrechts durch den Innenminister ausgeliefert zu sein.«

Bei verfassungskonformer Auslegung des bestehenden Verfassungsschutzgesetzes seien die Forderungen des Verfassungsgerichtshofes zwar erfüllbar, aber »im Interesse der Gesetzesklarheit« scheint es auch den Landtagsjuristen sinnvoll zu sein, das Gesetz zu ändern.