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Eva-Maria Stange

  • Lesedauer: 3 Min.

ßundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

? Bundesbildungsminister Rüttgers hat einen Reformkonzept für die Schulen vorgelegt. Darin wird unter anderem gefordert, daß künftig bereits Fünfjährige eingeschult werden sollen. Macht das Sinn?

Bereits heute ist es möglich, Kinder vor dem sechsten Lebensjahr einzuschulen, wenn die Eltern es wünschen und Schule und Ärzte dies für günstig halten. Das größere Problem ist, daß Kinder, die zum Stichtag noch nicht das sechste Lebensjahr erreicht haben, erst mit sieben oder gar mit acht eingeschult werden. Hier

plant die Kultusministerkonferenz bereits eine Flexibilisierung, damit die Stichtagsregel großzügiger gehandhabt werden kann. Insofern ist Rüttgers Vorschlag überhaupt nicht neu. Das Problem ist auch, daß viele Eltern die Einschulung ihrer Kinder immer weiter hinauszögern.

? Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es gibt zwei Gründe. Der eine ist, daß die Eltern ihren Kindern möglichst lange eine Kindheit ohne Streß erhalten möchten. Schule, so wie sie heute gestaltet wird, wird meist als Belastung für die Kin-

der empfunden. Ein weitere Ursache ist, daß Eltern mehr Ganztagsangebote vor allem für die Grundschüler haben wollen. Gerade Frauen wollen mit dem Eintritt der Kinder ins Schulalter nicht gezwungen sein, auf ihren Beruf teilweise oder ganz zu verzichten.

? Wir haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern recht lange Schulzeiten. Will die GEW daran nichts ändern?

Es geht nicht darum, die Schulzeit an sich zu verkürzen. Man muß sich immer wieder neu überlegen, was am Ende der Schulzeit von den Schülern

geleistet werden kann und muß. Dann ist es auch möglich zu überprüfen, ob diese Leistung in einer verkürzten Schulzeit erbracht werden kann. Ich bin sehr wohl dafür, daß die Leistungsfähigkeit der Kinder, auch die derjenigen, die erst fünf oder sechs sind, so weit wie möglich ausgeschöpft wird. Dies aber nicht im Sinne einer Elitebildung, sondern in Hinsicht einer stärkeren Förderung der Kinder, so daß alle Schüler gleichermaßen von einem Fördersystem profitieren können.

? Prinzipiell hätten Sie also nichts dagegen, beispiels-

weise die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre zu verkürzen?

Es ist problematisch, wenn man sich in dieser Frage eindeutig festlegt. Die Gefahr besteht, daß dann eine Verkürzung der Schulzeit zu Lasten der Schüler und Lehrer erfolgt. Das wollen wir nicht. Man muß überprüfen, welche Leistung und welcher Aufwand hinter dem Abitur steht. Dann erst kann entschieden werden, ob die Zeit bis zum Abitur auf zwölf Schuljahre verkürzt wird, und nicht umgekehrt. Fragen: Jürgen Amendt Foto: dpa

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