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Geld spielte keine Rolle

  • Lesedauer: 3 Min.

Daume fühlte sich als Verlierer und sann über einen neuen Anfang nach. Der hieß Olympische Spiele: Die nächsten, die vergeben wurden, waren die für 1972. Mit Berlin konnte er nach den Erfahrungen von 1963 nicht mehr kommen. Er dachte vielmehr an München, das dem IOC seit der Session von 1959 in guter Erinnerung war Geld spielte keine Rolle. Daume schätzte die Kosten auf etwa 500 Millionen Mark. An 1,972 Milliarden, was die Spiele später kosteten und mit der Jahreszahl identisch war, wagte niemand zu denken. Das Minus betrug 686 Millionen. Da der Annahmeschluß beim IOC der 1. Dezember 1965 war, blieb Daume

kaum mehr als ein Monat, um die Bewerbung Münchens auszuarbeiten. Damit stieß er nicht überall auf Begeisterung. So erklärte der bayerische Ministerpräsident Goppel: »Wir müssen wohl oder übel in den sauren Apfel beißen«, und es war allein »die gesamtdeutsche Aufgabe«, weshalb die CSU einlenkte.

Die Abstimmung im IOC erfolgte am 21. April 1966 in Rom, und Daumes größte Sorge war, wie sich der Ostblock verhalten würde. Und als die Münchner Delegation verkündete, daß sie Spiele der kurzen Wege anstreben würde, fühlte sich Polens Sportminister Wlodzimierz Reczek, der aus der Sozialdemokratie hervorgegangen war, zu einer Brandrede provoziert, die in dem Satz gipfelte: »Diese Wege, die kennen wir, die gehen vom KZ in die Gaskammer.« Doch Reczeks Gefühlsausbruch wirkte nur kontraproduktiv Im übrigen war die Sache wohl schon vorher entschieden, denn in der Einschätzung des technischen Standards hatte München mit elf Punkten vor Montreal und Detroit mit neun und Madrid mit sieben gewonnen. Im zweiten Wahlgang erhielt München die nötige Mehrheit von 31 Stimmen.

Alles schien Daume zu bedenken, um München vom Ruf der »Hauptstadt der Bewegung« zu befreien. Die Straßen im Olympiapark erhielten die Namen von Widerstandskämpfern wie Janusz Kusocinski und Werner Seelenbinder oder von rassisch Verfolgten wie Helene Mayer Mit wenig Beton wurde gebaut und schwere Farben vermieden. In »Otl« Aicher fand er einen Designer, der eine visuelle Vielfalt entfaltete und mit den Farben grün, gelb und blau das Bild der »heiteren Spiele« skizzierte. Der Vorwurf des Revanchismus, den die DDR in Anspielung auf die Spiele von Berlin mit der simplifizierenden Formel »2x36 =

72« erhob, verfing sich, je mehr sich die Ostpolitik der neuen Regierung Brandt/ Scheel auswirkte und je größer die Aussichten wurden, daß die DDR ihren »Klassenfeind« in dessen eigenen Arenen schlagen würde.

Auch in der parteipolitischen Auseinandersetzung um Flagge und Hymne der DDR, die erstmals 1972 gezeigt bzw. gespielt werden durften, setzte sich der Standpunkt von SPD und FDP durch, und am 2. Juli 1970 war der DSB nach Jahren der zaghaften Annäherung schließlich auch bereit, die Sportbeziehungen zum DTSB, die er als Reaktion auf den Mauerbau am 16. August 1961 einseitig abgebrochen hatte, wieder aufzunehmen.

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