nd-aktuell.de / 18.02.2005 / Sport

FC Größenwahn kurz vor dem Finale

Borussia Dortmund: Morgen noch gegen Bayern München, übermorgen vielleicht schon Abpfiff

Michael Müller
Borussia Dortmund ist eine der ganz großen Nummern der Fußball-Bundesliga. 1997 gewann man sogar Champions League und Weltpokal. Heute sitzt der Verein auf rund 100 Millionen Euro Schulden und weiteren 300 Millionen »sonstigen finanziellen Verpflichtungen«. Der Börsentraum droht in der Insolvenz zu enden.
Morgen gibt es im Münchner Olympiastadion einen Klassiker der Fußball-Bundesliga: Bayern München gegen Borussia Dortmund, Kürzel: BVB (für Ballspiel-Verein Borussia 1909). Sportlich-statistisch sieht es für Dortmund wie immer nicht besonders gut aus; der letzte Erfolg bei den Bayern liegt 14 Jahre zurück. Oddset zahlt bei Bayernsieg pro Euro Einsatz 1,45, bei BVB-Sieg 5,00 Euro. Doch was viel dramatischer ist: Es könnte morgen die letzte Ansetzung Bayern München - Borussia Dortmund für lange Zeit oder sogar überhaupt sein. Für längere Zeit, wenn beim BVB die Insolvenz des Profibereiches tatsächlich nicht abzuwenden ist und man nur noch drittklassig kickte (derzeit stehen die Amateure in der Regionalliga Süd auf Platz acht). Und überhaupt zum letzten Mal, wenn der Name Borussia Dortmund ganz aus dem bezahlten Fußball verschwände. Diese Option ist zumindest für BVB-Großaktionär Florian Homm denkbar. Wenn gar nichts mehr geht, »dann heißt der Verein künftig eben FC Dortmund«, sagte er gestern dem Wirtschaftsmagazin Capital - mit einer Lakonie, die die Fans einmal mehr auf die Palme brachte. Dabei sind diese Fans momentan das Einzige (und fürs operative Geschäft Wichtigste), was dem BVB bei rund 100 Millionen Euro Schulden und 300 Millionen »sonstigen finanziellen Verpflichtungen« noch bleibt. Mit einem Schnitt von 71806 Zuschauern ist er sogar immer noch Bundesliga-Krösus. Doch fast alles, was durch die Kassen geht, wandert postwendend als Zins oder Tilgung an Gläubiger... Wenn schon Umbenennung - dann müsste der BVB, der als erster und bisher einziger deutscher Fußballklub seinen Profibereich als Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) an die Börse brachte, endlich auch offiziell FC Größenwahn heißen. Dabei unterscheidet sich sein Weg ins Nichts der so genannten New Economy kaum von dem hunderter deutscher Internetfirmen. Allerdings ist die Marke BVB fast 100 Jahre alt und eine öffentliche Institution. Gerade deshalb ist der Irrwitz, mit dem da gewirtschaftet wurde, auch besonders deutlich als solcher erkennbar. Mit »Wechseln auf die Zukunft« versprach Ex-Präsident Gerd Niebaum, den BVB für immer in die europäische Fußball-Beletage einzukaufen. Doch es waren nur ordinäre Riesenkredite und die »Wechsel auf die Zukunft« entpuppten sich als Großmannssucht, Dilettantismus und Absahnerei. Gestern hieß es in einer Börsenpflichtmitteilung, das Unternehmen sei in einer »existenzbedrohenden Ertrags- und Finanzsituation«. Demnach verbuchte der BVB von Anfang Juli bis Ende Dezember 2004 einen operativen Verlust von 27,2 Millionen Euro. Zudem seien rund 79 Prozent der durch den einstigen Börsengang eingenommenen 180 Millionen Euro aufgebraucht. Bis gestern Mittag sank die Aktie auf das Rekordtief von 1,99 Euro. Laut BVB sichere jedoch die »überwiegende Mehrheit« der Gläubiger ihre Zustimmung zu den Sanierungsplänen. Nur mit dreien müsse noch »weiterführend verhandelt« werden. So viel Optimismus war gestern vor dem Trainingsgelände im Westfalenstadion nicht. »Der Zug ist abgefahren. Wir bekommen die Lizenz nicht. Wir gehen geradewegs in die Amateurliga«, resignierte ein BVB-Fan. »Das Einzige, was uns jetzt noch retten könnte, wäre so ein Verrückter mit viel Geld.« Ein anderer jammerte: »Die Chefs haben uns jahrelang betrogen. Die müssten alle zurücktreten«.