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Palast-Rettung, letzter Versuch?

Karin Baumert

  • Lesedauer: 3 Min.

Baustadträtin von Berlin-Mitte

Die parteilose Stadtsoziologin (42), in den

80er Jahren an der Hochschule für Architektur und Städtebau in Weimar tätig, ist seit 1996 für die PDS Baustadträtin im Berliner Zentrumsbezirk

ND-Foto: B. Lange

? Ab 15. Oktober soll der Palast der Republik leergeräumt werden, damit Mitte 1998 die Asbestbeseitigung beginnen kann. Sie versuchen, mittels eines sogenannten Instandsetzungsgebots die Anerkennung des Gebäudes als Denkmal und seine behutsame Sanierung zu erzwingen. Ein letzter Versuch, den Palast vor dem Abriß zu bewahren?

Ja. Denn wenn es nicht gelingt, Bundesbauminister Töpfer bis zum 15. Oktober zu einer klaren Aussage darüber zu bewegen, daß der Palast als Denkmal saniert wird, läuft alles auf Abriß hinaus.

? Töpfer sagt ja, daß er denkmalpflegerische Aspekte beachten will und nach der Sanierung eine Wiederherstellung des Hauses möglich sein soll.

Aber darüber will er erst nach der Sanierung entscheiden. Das ist eine kluge CDU-Strategie, erst später darüber nachzudenken, was aus dem Palast werden soll. Dann stehen von ihm nur noch die berühmten Zahnstocher, und keiner kann sich mehr so richtig erinnern, was das mal war. Bei jedem anderen Denkmal würde man eine Sanierung bis auf die

Grundmauern nicht zulassen, wenn erst hinterher über seine Wiederherstellung entschieden werden soll.

? Der Palast ist aber kein Denkmal.

Er steht nicht auf der Denkmalsliste, das ist ein Unterschied. Ein Denkmal ist nicht erst ein Denkmal, wenn es als solches eingetragen ist, sondern wenn es die Denkmalseigenschaften erfüllt. Das wurde beim Palast in einem Gutachten längst nachgewiesen.

? Und warum ist der Palast ein Denkmal?

Wegen seiner Architektur, seiner stadträumlichen Bedeutung, und weil er die Tradition der Volkshäuser fortsetzt. Und schließlich beschloß hier die Volkskammer den Beitritt zur BRD Die Belange des Denkmalschutzes sind noch lange nicht berücksichtigt, wenn man jetzt lediglich plant, Teile des Interieurs auf Museen zu verteilen. Töpfer darf sich am Denkmalschutz nicht einfach so vorbeischummeln.

? Was ist ein Instandsetzungsgebot, mit dem sie eine denkmalgerechte Sanierung erreichen wollen?

Eine Gemeinde ist gesetzlich verpflichtet, ein solches Gebot zu verhängen, wenn ein Gebäude über längere Zeit leersteht oder verfällt. Gerade angesichts der finanziellen Misere in Berlin und des damit verbundenen Kulturabbaus brauchen wir ein Haus wie den Palast dringend. Deshalb haben wir gegen die Oberfinanzdirektion als Verwalterin der bundeseigenen Immobilie das Gebot verhängt, das Gebäude bis zum 30. September 1999 instand zu setzen.

? Die OFD sagt Blödsinn, alles reine Propaganda.

Getroffene Hunde bellen. Wir tun als Bezirk nur unsere Pflicht. Natürlich haben wir nicht das letztendliche Sagen.

? Also keine Chance, bis zum 15. noch was zu bewegen. Was dann?

Dann muß man zu Formen des zivilen Ungehorsams aufrufen.

? Ein starkes Wort. Und zu welchen?

Das werden wir sehen. Wer was für den Palast tun will, kann am Sonnabend, 14 Uhr, zur letzten Palastbelagerung 1997 kommen.

Fragen: Bernd Kammer

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