nd-aktuell.de / 09.10.1997 / Politik / Seite 2

Der Führer

Kim Jong II

Gestern übernahm der 55jährige das höchste Parteiamt im Norden Koreas.

Foto: dpa

Was die Kim-Astrologeri schon immer vorausgesagt haben, nun ist es geschehen: Der »Geliebte Führer« der KDVR, Kim Jong II, ist am Mittwoch zum Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas, zum »Großen Führer« - einen Tag vor dem Parteijubiläum - ernannt worden.

Zwar war er schon seit dem Tode seines Vaters Kim II Sung vor gut drei Jahren der erste Mann Nordkoreas, doch fehlte in seiner Ämtersammlung das des Generalsekretärs und des Staatspräsidenten. Letzteres läßt noch auf sich warten, ansonsten ist er seit 1991 Oberbefehlshaber der Armee, trägt den Titel Marschall und führt die mächtige Nationale Verteidigungskommission an.

Um Kim jr. ranken sich - wie kaum um eine andere Person der Welt - die abenteuerlichsten Legenden. Erst letzte Woche ist in nordkoreanischen Medien die bevorstehende Ernennung mit au-ßergewöhnlichen Naturereignissen im Zusammenhang gebracht worden. So wurden blühende Obstbäume im Herbst und der Fund einer seltenen weißen Seegurke als Bestätigung für die Genialität Kim Jong Ils gewertet.

Im vergangenen Jahr wurde der 16. Februar, nach offiziellen Biografien der Geburtstag Kim Jong Ils, zum »größten Feiertag« des koreanischen Volkes erklärt. Ob er tatsächlich, wie es die Legende beschreibt, am heiligen nordkoreanischen Berg Paektu beim ersten Son-

nenstrahl geboren wurde oder in einem sowjetischen Militärlager im Fernen Osten, wie es russische Dokumente belegen sollen, gehört genauso zu den immer wiederkehrenden Spekulationen um die Person Kim Jong Ils wie sein angeblicher Hang zu einem exzentrischen Lebensstil.

Er ist in den Mythen der nordkoreanischen Propaganda nicht nur genialer Staatsmann und hera'usragender Militär, sondern auch der größte Theoretiker der vom Vater hervorgebrachten Dschutsche-Ideologie, Kunstkenner, Wirtschaftsfachmann und bester Freund aller Werktätigen. In der Praxis führte sein Weg die Stufen des Parteiapparates nach oben, wo er schließlich den Bereich Organisation und Propaganda verwaltete und 1974 ins Politbüro aufstieg. In fast drei Jahrzehnten wurde er systematisch zum Nachfolger seines Vaters aufgebaut.

Die nun erfolgte Inthronisierung in der Parteihierarchie wird kaum etwas an der katastrophalen Lage der KDVR ändern, sie schafft nur Klarheit, daß an Kim Jong II kein Weg in der Frage der Zukunft auf der koreanischen Halbinsel vorbeiführt. Peter Kirschey