nd-aktuell.de / 01.03.2005 / Politik
Russische Mari im Überlebenskampf
Aktivisten fordern Unterstützung für Ureinwohner im Ural
Linus Atarah, Helsinki
Das russische Volk der Mari ist nach Aussagen von Menschenrechtlern in seiner kulturellen Existenz bedroht. Mit einem Aufruf wollen Aktivisten und Politiker die weltweite Öffentlichkeit auf das Schicksal der finno-ugrischen Uralvölker aufmerksam machen.
Die Uralier sind eine indigene Gruppe, deren Vertreter in Russland und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetrepublik leben. Die Mari gehören zum finno-ugrischen Zweig, der auch ihrer Sprache den Namen gibt. Neben dem Samojedischen ist das Finno-Ugrische die Hauptsprache der Uralvölker. Die einzelnen Völker weichen in Rassenzugehörigkeit, Religion und Kultur voneinander ab. Bewohner des westlichen Verbreitungsgebietes unterscheiden sich beispielsweise stark von Khants und Mansis in Sibirien, die den Ungarn nahe stehen. Allen gemeinsam sind aber bestimmte Wurzeln und Lebensformen, die von großer Naturnähe zeugen. Eine unter den Mari verbreitete Beschäftigung ist die Imkerei.
43 Prozent der etwa 750000 Mitglieder zählenden Gruppe leben in der formal autonomen Republik Mari El innerhalb der Russischen Föderation. Die meisten anderen siedeln in benachbarten Gebieten. Sie sprechen Wolga-Finnisch, eine Ableitung aus dem Finno-Ugrischen. Die Regierung von Mari El ist allerdings größtenteils russischsprachig. »Wir, die Vertreter und Freunde der finno-ugrischen Völker der Welt, rufen die russischen Verantwortlichen auf allen Ebenen dazu auf, sofort Schritte zur Beendigung der Angriffe auf Mitglieder der demokratischen Opposition von Mari El zu unternehmen«, heißt es in einer kürzlich von der »Mari El Association« in Moskau veröffentlichten Erklärung. Darin werden außerdem internationale Menschenrechtsorganisationen um Unterstützung der Sache gebeten.
Aktivisten und Politiker aus zahlreichen Ländern kamen mit der Unterzeichnung einer neuen Petition der Aufforderung bereits nach. Die ehemalige finnische Parlamentspräsidentin Riitta Uosukainen, der Ex-Außenminister in Helsinki, Pertti Paasio, der frühere Staatspräsident Estlands, Lennart Meri, und der erste Vizepräsident des EU-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten Toomas Hendrik Ilves gehören ebenso zu den Signatoren wie der britische Professor John Hiden und der langjährige Berater der USA-Regierung Paul Goble.
»Für die multiethnische Kultur Europas wäre es ein tragischer Verlust, wenn es den Russen gelingen würde, die Sprache der Mari und anderer Minderheiten gänzlich zu unterdrücken«, betonte Paasio. Seiner Aussage nach existiert die Unabhängigkeit des uralischen Volkes nur auf dem Papier. Tatsächlich aber hinderten die russischen Autoritäten die Mari daran, gemäß ihrer Kultur zu leben. Für den emeritierten Professor der Universität von Turku, Finnland, Kalevi Wiik, ist die Unterdrückung der finno-ugrischen Ethnie ein »Spiegelbild für die antidemokratischen Maßnahmen des russischen Staatspräsidenten Putin«. Dem Akademiker zufolge versucht eine panslawistische Bewegung, die alleinige Vorherrschaft der russischen Kultur zu etablieren. (IPS)
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