nd-aktuell.de / 16.10.1997 / Politik / Seite 6

Wo die Natur nicht zur Hölle fährt

Geschützter Niederlausitzer Landrücken Von Klaus Muche

Reiche Ernte fuhr jetzt Brandenburgs Umweltminister in der Niederlausitz ein. Nach jahrelanger Arbeit wurde am 3. Oktober der 6. Naturpark Brandenburgs eingeweiht und Helmut Donath als Naturparkleiter ins Amt eingeführt.

Die Hälfte eines jeden Naturparkes muß unter (den) besonderen Schutz (eines Landschaftsschutzgebietes) gestellt werden. Vermutlich läßt nur diese Bedingung den jüngsten deutschen Naturpark nicht über die Ufer treten. Fördermittel, Werbeeffekte und durchaus erwünschte Nebenwirkungen machen den »Naturpark Niederlausitzer Landrücken« zum begehrlichen Objekt für die Nachbargemeinden. Zuletzt schlüpfte noch Luckau unter den Schirm der werbe-

trächtigen Veranstaltung. Wieder - denn zuvor hatte der Bürgermeister das Projekt leidenschaftlich abgelehnt.

Dabei standen die Zeichen nur anfangs halbwegs günstig für die Idee der Freunde Donath, Illig und Sauer Sie hatten sich schon in den 80er Jahren im »Biologischen Arbeitskreis« einen Namen gemacht und zunächst über das Staatsgut Langengrassau versucht, die Regierungskonzeption der »ökologischen Erneuerung« nach ihren Vorstellungen umzusetzen. Die Mittel, die sie dem Staatshaushalt entlocken konnten, lagen weit über dem DDR-Durchschnitt: Die Reihen der gepflanzten Hecken und Bäume waren länger als in der übrigen Lausitz. Und die Ökologiebewegung der Wendezeit versprach weit Größeres! So wurde das Konzept erweitert, sollte in einem neuen Dreiseitenhof auf den Höllbergen bei Langengrassau mittelalterliche Landwirt-

schaft entstehen, mit Dreifelderwirtschaft, rückgezüchteten Wollschweinen und einem Naturpark von 25 000 Hektar rings um den Höllberghof. Die Luckauer aber strebten in die Marktwirtschaft und sahen eher die Behinderungen, die durch den Naturpark drohten.

Der Sinneswandel kam erst mit den alljährlichen Höllberg-Festen, die zuweilen bis zu 10 000 Besucher anlockten, Mit einem realitätsfernen Fundamentalimus wären die Volksfeste mit Wegwerfgeschirr und Tausenden Autos nicht machbar und als Initialzünder für den Strukturwandel der Luckauer Region verloren gewesen. Inzwischen hat sich das anfängliche Projekt verdoppelt, modifiziert und angepaßt und erstreckt sich über ein Gebiet von 58 000 Hektar, das vier Landkreise berührt: mit zwei Tagebauen, 14 Naturschutzgebieten, Schlössern, Parks, Kneipen, einer fürstlichen Schloßbrauerei und mit 28 Seen nach Flutung aller Tagebaurestlöcher

Zu tun bleibt trotzdem mehr als genug. Und die Hilfe vom Land fällt nicht mehr so üppig aus. Mit dem neuen Status aber beruhigen sich die Ängste, und die Eröffnung des Naturparkes während des Erntedankfestes ist Anerkennung und Ermunterung zugleich.

Doch wer mit dem Rad vom Bahnhof Uckro-Luckau über den Waldweg zum Höllberghof fahren oder wandern will, muß einen mehrfachen Umweg nehmen, nur weil 200 Meter Feldweg irgendwann in den 60ern umgepflügt wurden und niemand das Geld für den Neubau aufbringen will. Und wer in den Höllbergen ein schönes mittelalterliches Spektakel erleben und die Nacht am Lagerfeuer verbringen will, wird enttäuscht: statt eines Zeltplatzes stören gewaltige Parkplätze, mittelalterlich sind inzwischen nur noch das Wegwerfgeschirr und die Plastikzelte der Jahrmarktsbuden. Wer Kultur zu sehr vereinfacht, muß sich nicht wundern, wenn schon bald die Neugierde verflogen ist und die Schaustellergilde, die ein professionelles Mittelalter anbietet, ihre Kunst woanders verkauft.

Was mit entsagungsvoller Kompromißbereitschaft aufgebaut wurde, wird jetzt nur durchs Gegenteil zu erhalten sein. Das Ergebnis exzellenter Naturschutzarbeit - angereichert durch ein erstklassiges Kultur-und Bildungsangebot - kann den »Naturpark Niederlausitzer Landrücken« weit über die Grenzen Brandenburgs bekanntmachen. Das aber braucht nach den ersten Jahren des Aufbaus neue Kraft und neue Konzepte.