nd-aktuell.de / 11.03.2005 / Politik

Alternativer Prora-Nutzung droht das Aus

Daniel Bartsch
Prora, das ehemalige KdF-Seebad und spätere NVA-Gelände auf der Insel Rügen, steht vor dem Absturz in die Kommerzialisierung. Damit wird jahrelange, kulturell und sozial wertvolle Arbeit zerstört - und alles nur, weil der Bund schnelles Geld braucht. Das ist die kürzeste Variante der tragischen und schwer zu verstehenden Geschichte um einen Gebäudekomplex, der wie kaum ein anderer für die soziale Demagogie der Nazis steht. Seit 1992 haben sich verschiedene Vereine zusammengeschlossen, um den 500 Meter langen Block 3 der Anlage sinnvoll zu nutzen. Heute gibt es mehrere Museen, Galerien und ein »One World« Jugendhotel. Gemeinsam kommt man beinahe ohne Zuwendungen durch die öffentliche Hand aus und jährlich zieht es 250000 Besucher hierher. Ein dubioser Immobilienverkauf der Bundesregierung macht nun damit Schluss und Platz für die Durchkommerzialisierung der Anlage. Im August 2004 erhielt die erst im Dezember 2004 (!) gegründete Inselbogen GmbH des ehemaligen Mitstreiters Kurt Meyer für nur 370000 Euro den Zuschlag für den Gebäudekomplex und etwa 264000 Quadratmeter Fläche am Sandstrand von Prora. Meyer betreibt bisher ein Museum, dass die vielfältige Vergangenheit des Geländes bunt mixt und ohne aufklärenden Charakter anbietet. Warum sich der Bund für Meyer entschied, ist der Mietergemeinschaft nicht klar. Konzepte für die Zukunft von Prora hat Meyer nicht - oder bietet wöchentlich neue an. Die Ideen reichen von Jugendhotel in eigner Regie, das bedeutet Verdrängung des bisherigen, oder Residenzen für Senioren und Behinderte. Auch ein »historisches Disneyland« ist im Gespräch. Erschwerend kommt hinzu, dass Meyer sich vom Land Mecklenburg-Vorpommern Fördermittel von 20 Millionen Euro erhofft. Dass die bisherigen Mieter ohne Zuschüsse auskommen, schien bei der Entscheidungsfindung niemanden zu kümmern. Schließlich sind es zwei verschiedene Töpfe. Die Mitsprache der vom Verkauf Betroffenen war ausdrücklich nicht erwünscht. Gegen den Verkauf war ebenfalls die Landrätin von Rügen, Kerstin Kassner (PDS), auch sie wurde nicht gehört. Lothar Mark (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses des Bundestages, war ebenfalls gegen den Verkauf. Er sieht die Mietergemeinschaft zu Unrecht ausgegrenzt. Zudem weise der Verkauf fachliche Mängel auf: Ein Rückkaufsrecht des Bundes ist nicht vorgesehen. Scheitert Meyer, könnte die Immobilie »in die Hände von Neonazis fallen«. Meyer ist zwar schon Besitzer, jedoch noch nicht Eigentümer. Die Mietergemeinschaft prüft rechtliche Schritte gegen den Verkauf und hofft auf den Erhalt ihrer wichtigen sozio-kulturellen Arbeit.