nd-aktuell.de / 13.12.1997 / Politik / Seite 13

mache, Ich

was der Intendant nicht machen will

Sie wurde als erste Frau Mitglied in einem deutschen Rotary-Club, einer Einrichtung, die Anfang des Jahrhunderts in den USA entstand, aus führenden Gesellschaftsmitgliedern besteht und sozialem Engagement verpflichtet ist. Die Theaterwissenschaftlenn ist 56 Jahre alt und seit 1989 stellvertretende Intendantin des Deutschen Theaters in Berlin. Bis 1990 war Dieter Mann ihr Chef, seitdem ist es Thomas Langhoff. Rosemarie Schauer haßt das Einkaufen, kann Autos reparieren und meint, daß sie längst nicht so harmoniesüchtig ist wie ihr Intendant. Niemand im Theater glaubt ihr, daß sie 2001 in Rente gehen will.

Foto: Burkhard Lange

? Von wem sind Sie denn in den Rotary-Club Berlin-Mitte gebeten worden?

Vom Präsideriten persönlich. Der rief hier an und bat um ein Gespräch. Als er kam, empfing ich ihn unbehelligt von allen Ahnungen, denn ich glaubte, der Club will vielleicht hier im Theater eine Veranstaltung machen. Da teilte er mir mit, daß sich der Rotary-Club nun auch Frauen öffnen wolle, und man hätte mich vorgeschlagen. Ich war völlig überrascht und eigentlich eher abgeneigt.

? Warum?

Wenn ich etwas mache, dann richtig, und das kostet bekanntlich Zeit. Davon habe ich nicht allzuviel. Aber Kollegen und Familie haben mich ermutigt.

? Wer hat Sie eigentlich vorgeschlagen?

Ein Journalist. Ich weiß nicht, wer er war und forsche auch nicht nach. Vielleicht bereut er es inzwischen

? Bereuen Sie denn, daß Sie zugestimmt haben?

Nein, ich habe mich sehr gründlich mit dem Gedanken beschäftigt und festgestellt, daß viele der Grundsätze der Rotarier auch meine eigenen sind.

? Welche zum Beispiel?

Zum Beispiel die, meinem Berufsstand alle Ehre zu machen, mit meinen Geschäftspartnern fair umzugehen, junge Menschen beruflich zu fördern.

? Sie haben in einet Fernsehsendung ganz trocken erklärt, wenn Sie um den Wirbel gewußt hätten, den die erste Frau in diesem erlauchten Kreise auslöst, wären Sie auch gern die zweite gewesen. Waren Sie nicht lange genug die ewige Stellvertreterin ?

Erste zu sein, war für mich nie ein Thema. Mich interessiert in erster Linie, was ich an der Stelle, an der ich bin, machen kann. Dieter Mann war Schauspieler, und Thomas Langhoff führt Regie. Beide gaben den Bereich der Gesamtleitung des Hauses an mich ab, einfach, um arbeiten zu können. Jeder Intendant, der künstlerisch tätig sein will, wird die anderen Dinge nach Möglichkeit in eine sichere Hand geben, an jemanden, auf den er sich verlassen kann. Und das bin ich.

Es gibt klare Abgrenzungen, und darauflege ich auch großen Wert. Ich würde mich nie in die Entscheidung darüber einmischen, welcher Regisseur welches Stück inszeniert, obwohl ich es fachlich durchaus beurteilen kann. Langhoff würde nie eine Gage entscheiden.

? Aber die Namen Ihrer Chefs sind in

aller Munde, während man Ihren nach wie vor kaum kennt. . .

Ich bin überhaupt nicht interessiert an Öffentlichkeit. Wenn das so wäre, dann hätte ich zusehen müssen, selbst ein Theater zu bekommen, das ich leiten kann. Nein, ich sorge dafür, daß die anderen in Ruhe arbeiten können. Und ich mache, was der Intendant nicht machen will.

? Da bin ich jetzt neugierig.

Ich gehe beispielsweise auf Besucherfeste, bei denen es normalerweise üblich ist, daß der Intendant auch ein paar Worte zu den Leuten spricht, sich ein bißchen zeigt und so. Aber Langhoff bekommt in solchen Situationen häufig ein Problem mit dem Meniskus oder schweres Zahnweh.

? Sind Ihnen Machtgelüste fremd?

Machtgelüste beschreiben ja eine negative Seite. Machtbewußtsein zu haben und einen Betrieb in Ordnung zu halten, klar zu machen: ich bin die, die hier das Sagen hat, das ist eine andere Sache. Das muß ich schon haben. Aber ich muß es nicht zur Schau stellen. Es gibt Leute, die sind ständig in der Öffentlichkeit, aber nicht in der Lage, ihren Laden zusammenzuhalten.

? Sie meinen Rene Kollo und das Metropoltheater?

Was da passiert ist, wäre mit mehr Sachkenntnis und mehr Verantwortungsgefühl zu verhindern gewesen. Mit Sicherheit.

? Wie halten Sie in Zeiten übermäßiger Sparpolitik einen Laden wie dieses Riesen-Theater zusammen?

Mit Geld umzugehen ist auch dann reizvoll, wenn es weniger wird. Je komplizierter die Lage ist und je weniger man aus dem Vollen schöpfen kann, desto mehr Kreativität muß man entwickeln. Im technischen Bereich und in der Verwaltung haben wir allerdings keinen Spielraum mehr Wenn man Mitarbeitern der Senatsverwaltung zum 199 Male erklären muß, daß man nicht auf diese oder jene Kosten verzichten kann, und man merkt, die verstehen nicht, das ist schon bitter

? Wieviel Geld haben Sie zur Verfügung?

34 Millionen Mark in diesem Jahr Das hört sich viel an, aber es wird in jedem Jahr weniger, und eigentlich dürfte keine Türklinke kaputt sein und das Klopapier nie zu Ende gehen.

? Wie unterscheiden sich Ihr ehemaliger und Ihr jetziger Intendant?

Sie brauchen beide eine lange Zeit für bestimmte Entscheidungen. Das Abwägen dauert. Beide sind sehr emotional. Aber mehr möchte ich dazu nicht sagen, da können Sie sich auf den Kopf stellen.

? Was muß passieren, damit Sie etwas preisgeben?

Das passiert nicht. Loyalität ist für mich oberstes Prinzip.

? Aber ein Theater ohne Intrigen ist doch gar nicht vorstellbar.

Mit mir schon. Da bin ich sehr direkt, und dafür bin ich auch bekannt. Mir ist eine Konfrontation, die ärgerlich ist, sehr viel lieber Alle Dinge, die man ausgesprochen hat, kann man klären. Natürlich fühle ich mich auch manchmal ungerecht behandelt, möchte lieber verstanden und geliebt werden. Es gibt aber immer Entscheidungen, die nicht auf Gegenliebe stoßen. Mir sind Mitarbeiter lieber, die dann sagen, die oder ich.

? Ist schon mal jemand Ihretwegen gegangen?

Nicht, daß ich wüßte.

? Welcher Kollege ist Ihnen am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben?

Der Generalintendant am Schweriner Theater, Rudi Kostka, mit dem ich dort Mitte der 60er Jahre zusammengearbeitet habe. Der war, wie man heute sagen würde, ein guter Manager, verstand viel von wirtschaftlichen Dingen. Er holte interessante Musiker, baute ein Ballett auf und schaffte es, innerhalb eines Jahres, 180 000 zusätzliche Zuschauer ins Theater zu holen. Diese Verbindung von Ökonomie und Kunst hat mir sehr imponiert. Von Kostka habe ich gelernt, wie man ein Theater leitet.

? Wie denn ?

Indem man den künstlerischen Mitarbeitern den Rücken frei hält, sie zu ihren Leistungen befähigt, das Ensemble zusammenhält - mit Strenge, Durchset-

zungskraft und viel Verständnis für manche Verrücktheit. Wenn ich daran denke, daß Alexander Lang als Schauspieler verlangt hat, daß man hier über diesem Theater die Flugzeuge umleitet, wegen der Lärmbelästigung bei der Arbeit...

Es hängt viel davon ab, ob man es in solchen Situationen versteht, das Unmögliche akzeptabel zu machen.

, ? Fanden Sie es für eine Frau in der DDR einfach, so eine Karriere zu machen?

Die Frage habe ich mir nie gestellt. Für mich stand nach der Oberschule fest, ich will studieren und arbeiten. Ob mit oder ohne Familie, ob als Chefin oder nicht, habe ich nicht überlegt. Ich wollte zum Theater, und alles andere war Nebensache.

? Aber in Ihrer Generation haben doch die meisten brav die Familie gegründet...

Also, die Idee hatte ich überhaupt nicht.

? Geschehen ist es dennoch. Sie leben privat konsequent gleichberechtigt. Ihr Mann, selbst Künstler, fährt mit dem Zug zur Arbeit, kauft ein und kocht, während Sie mit dem Auto zu Ihrem Vollzeitjob davonbrausen. Das kann doch kein Zufall sein.

Doch. Wir haben darüber nie sprechen müssen. Eine Zeitlang arbeiteten wir beide in leitenden Funktionen, mein Mann war Intendant, ich war an einem anderen Haus Chefdramaturgin. Da haben sich ein paar Arbeitsteilungen eingestellt, einfach, weil der eine das besser kann, und der andere das. Mich regt die Einkauferei auf. Früher, weil man nicht bekam, was man wollte, und jetzt regt mich auf, daß ich mich entscheiden muß zwischen so vielen Sorten. Ich gehe am liebsten überhaupt in keinen Laden. Mein Mann tut das gern.

Technische Dinge, die mache ich gern. Früher habe ich übrigens auch das Auto repariert, mein Mann interessiert sich nicht für Technik, der dreht nicht mal eine Glühbirne rein Lieber nimmt er 'ne Taschenlampe.

? Sieht alles sehr organisiert aus in Ihrer Beziehung. Machen Sie sich manchmal ein bißchen lustig über Emanzipationsdiskussionen, weil Sie Ihr Ding in der Tasche haben?

Überhaupt nicht. Ich sehe, daß das für viele ein Problem ist. Aber für mich nicht. Ich wäre nie eine Verbindung eingegangen, wo die Frage gestanden hätte, sich für Beruf oder Karriere zu entscheiden. Im übrigen glaube ich, daß es auch eine ganze Menge Männer gibt, die unter weiblicher Bevormundung leiden. Natürlich ist die Frage der Emanzipation lange Zeit ein wichtiges Thema gewesen, aber inzwischen halte ich eher die Frage für wichtig, wie man das persönlich hinkriegt.

Als ich meinen Mann kennenlernte, war das alles auch nicht klar, ich wollte nicht heiraten. Und jetzt sagen wir manchmal schon zur selben Zeit den selben Satz. Wir streiten uns nie.

? Aber im Theater streiten Sie sich?

Viel sogar. Harmoniesüchtig in unserem Haus ist der Intendant. Bei mir kracht's auch im Karton. Da werde ich dann auch mal laut oder ungerecht, aber das höchstens zweimal im Jahr. Die mich lange kennen, haben damit kein Problem. Männer, die neu dazu kommen, haben mitunter zu kämpfen.

? Zieht es immer mehr Zuschauer mit Pelz und Perlenkette zu den Premieren des »DT«? Umfragen zufolge kommen die Besucher überwiegend aus dem Westen.

Das stimmt wirklich nicht. Wir haben jetzt eher mehr Rucksackbesucher, also junge Leute. 65 Prozent aus dem Westen, ja. Aber das entspricht der Bevölkerungsstruktur Berlins.

? Und das Programm? Vermissen Sie die politischen Anspielungen der DDR-Zeit?

Daß man nicht mehr nur auf so etwas warten muß, um mal Dampf ablassen zu können, sondern daß das auch woanders geht, ist angenehm. Aber natürlich gehören Bezüge zur Realität zum Spaß, den Theateraufführungen machen sollen. Und es gibt sie inzwischen auch wieder, nur mit anderer Zielrichtung, die neuralgischen Punkte des Lebens der Zuschauer werden schon aufgegriffen.

? Haben Sie sich einmal vorgestellt, wie es gewesen wäre, wenn Sie nach der Wende ganz von vorn hätten anfangen müssen?

Darüber habe ich intensiv nachgedacht.- Ich blrisfcfier, ich hätte mich in die soziale Arbeit gestürzt. Das gefällt mir so am Rotary-Club, daß man sich dort um Hilfe für bedürftige Menschen müht. Unser Club Berlin-Mitte unterstützt soziale Projekte. Für ein Haus in Berlin-Lichtenberg, in dem jugendliche Behinderte wohnen, haben wir den Einbau eines Fahrstuhls bezahlt. Für drei Stipendiaten, darunter zwei Musikstudenten aus der ehemaligen Sowjetunion, haben wir Geld gegeben, damit sie die Musikhochschule »Hanns Eisler« nicht verlassen müssen. Und ich bin gerade dabei, in den Werkstätten unseres Theaters zwei Ausbildungsplätze für Tischler zu organisieren, das kostet insgesamt über 110 000 Mark.

? Kommt das Geld aus Ihrer eigenen Tasche?

Nein, wir sammeln. Es ist inzwischen nicht mehr so wie früher, daß in den Rotary-Clubs nur die Betuchten versammelt sind, zu denen gehöre ich ja auch nicht. Aber ich kenne ein paar Leute, die etwas abgeben können. Darum geht es.

? Einer Ihrer Mitrotarier, der Bankier Dr. Johann Friedrich Overbeck, findet. Sie seien eine ganz tolle Frau. Gefällt Ihnen so ein Kompliment?

Ich weiß überhaupt nicht, was das ist, eine ganz tolle Frau, wissen Sie das?

? Herr Overbeck könnte das noch mal etwas vertiefen. Er gibt übrigens zu, daß es bei Ihrer Aufnahme auch um die Institution als solche gegangen sei, ärgern Sie sich, benutzt zu werden?

Wenn es um das Theater geht, macht mir das nichts aus. Die Herren hatten übrigens eine schwere Debatte um meine Aufnahme, das gefällt mir nun wieder, daß sie sich damit beschäftigen. Und die Entscheidung für meine Aufnahme war einstimmig.

? Rotarierin zu sein, heißt, jeden Montag mit den Herren zu Mittag zu essen. Ich stelle mir das anstrengend vor. Etikette, Kleiderordnung etc., beherrschen Sie die Spielregeln?

Die beherrsche ich, und das macht mir Spaß. Darauf lege ich im übrigen auch zu Hause Wert.

? Man kann da nicht so locker in Jeans hingehen...

So gehe ich auch sonst nicht, aber einfach, weil ich finde, daß mir Jeans nicht stehen. Sonst würde ich damit auch zu den Rotariern gehen - warum nicht?

Interview: Silvia Ottow