Bill Clintons angebliche Geliebte Monica Lewinsky, will nun doch über ihre Beziehung zum Präsidenten aussagen, wenn sie straffrei bleibt. Die mediale Schlammschlacht geht in eine neue Runde.
Bill Clinton hat allen Grund, sich Sorgen zu machen: Momca Lewinsky (o.) und Paula Jones bringen ihn in arge Bedrängnis Fotos: Reuters
US-Amerikaner sind leidenschaftliche Sammler Ein von allen großen Fernsehsendern zu ihren Morgenprogrammen eingeladener junger Mann erzählte am vergangenen Donnerstag über das neueste Objekt seiner Obsession. Der als Mr. Stink berüchtigte Internet-Reporter behauptete, die Frau habe Samen auf einem Kleidungsstück aufgehoben. Über zwei Jahre getrocknet inzwischen aber präsidential. Igitt! Ich griff meinen Hund und flüchtete zum nahen und kalten New Yorker Strand. Da, wo Medien und Politik vom Winde verweht werden.
Aber die Welt pulsierte hinter meinem Rücken weiter Andere frierende Hundebesitzer fragten, ob ich schon die Nachrichten über Präsident Clinton gehört hätte. Das^sei doch widerwärtig, mokierte sich eine ältere Dame. Nein, nicht der sexuell unbändige Präsident und seine vermuteten. Liebschaften. Die Medien meine sie. Die sollten lieber über die wirklichen Probleme im Land und in der Welt schreiben. Armut, Kriminalität, schlechte Bildung und die Krise im Irak. Steuergelder würden verschwendet, um die die Regierung lahmzulegen. Das sei kriminell, stimmte eine junge Frau ein. Sie glaube dem Präsidenten zwar kein Wort. Aber mag er doch fremdgehen. Denn wenn Hillary mit seiner Untreue leben könne, gehe es die Öffentlichkeit gar nichts an. Ein vorbeihastender Jogger mit ?Kopfhörern- teilte uns mit, im Talkradio habe gerade ein Hörer festgestellt, die Zeit sei reif für die Präsidentschaft einer Frau.
Von den Medien umgehend in Auftrag gegebene Umfragenergaben außer allgemeiner politischer Müdigkeit und wachsendem Zynismus, daß 38 Prozent aller Befragten an die Schuld und 28 Prozent an die Unschuld Clintons glauben. 60 Prozent der Bürger waren jedoch im Falle seiner Schuld von der Notwendigkeit eines Rücktritts überzeugt. Talkshowstar Geraldo Rivera winkte nur ab und erklärte die Krise frei nach Watergate zum Zippergate - auf gut deutsch »Reißverschlußgate«.
Was steckt hinter der Aufregung um den gewählten höchsten Vertreter des amerikanischen Volkes? Los ging es vor genau sechs Jahren während seiner ersten Präsidentschaftskampagne. Da kam plötzlich die Provinzsängerin Gennifer Flowers aus Clintons Heimat-Bundes-
staat Arkansas des Weges und erzählte der Presse freimütig von einem langen sexuellen Verhältnis mit dem Wahlkämpfer Ein paar Jahre vorher war der aussichtsreiche demokratische Kandidat Gary Hart noch über eine ähnliche Affäre gestürzt. Clinton leugnete und wurde Präsident. Viele Bürger meinten, daß es nun wohl endlich vorbei sei mit der öffentlichen Prüderie und man sich auf wichtige Charaktereigenschaften konzentriere.
Die liberalen Medien hielten sich damals fast geschlossen heraus, denn zu groß war die Freude über die Wahl eines demokratischen Präsidenten nach dem endlosen Siegeszug der Republikaner. Die konservativen Gegner aber gingen wütend an die Arbeit. Wenn Sex nicht schreckte, dann mußte es Karrierefrau Hillary Clinton mit der Gesundheitsreform. Tor! Whitewater! Tor! Aktenskandal! Tor! Aber was ist das, der Präsident
ist immer noch an der Macht? Also noch mal ein bißchen Sex. Vielleicht zermürbt eine stärkere Dosis jetzt.. Die Nötigungsanschuldigungen der Paula Jones und die offiziellen Untersuchungen ziehen sich jedoch nun auch schon seit vielen Monaten zäh dahin. Paulas Millionen-Forderung ebenfalls. Clinton streitet ab und regiert unerschüttert. Das Volk zuckt mit den Schultern und sieht sich lieber »Titanic« an.
Hillary Clinton bezeichnete die Anschuldigungen als eine über sechs Jahre dauernde ununterbrochene politisch motivierte Rufmordkampagne. Doch glaubt man nun offenbar endlich den rettenden Samen-Engel in dem saftlosen konservativen Szenario gegen Clinton gefunden zu haben. Die ehemals im Weißen Haus und bis vor kurzem im Pentagon beschäftigte junge Monica Lewinsky vertraute sich mehrere Monate lang der älteren Kollegin Linda Tripp an, die gern zuhörte und fleißig mitschnitt. Ohne Monicas Wissen, wird beteuert. Zum Schluß lauschten das FBI und der Chef-Ermittler der Clinton-Skandale, Kenneth Starr, mit
- damit das Abhören legal wird. Republikaner Starr leitet seit dreieinhalb Jahren einen unabhängigen Untersuchungsausschuß und gab in dieser Funktion bereits über 25 Millionen Dollar aus.
Sekretärin Linda Tripp gehörte der Bush-Regierung an und wurde von den Demokraten übernommen. Wohl ein Fehler Denn sie belastete Clinton in der Anhörung im Whitewater-Skandal über den Tod von Vincent Foster in peinlicher Weise. Dann teilte sie der Presse ein besonderes Geheimnis mit. Von einer Mitarbeiterin war ihr angeblich anvertraut worden, daß Clinton sie in einem Büro des Weißen Hauses befummelt habe. Da das samenlose Treffen keinen Sturm entfachte und Frau Tripp gar nicht mehr gern gesehen war an ihrer Arbeitsstelle, wechselte sie schmollend ins Pentagon. Geschützt als Geheimnisträgerin. Noch während der Whitewater-Anhörungen hatte sich Linda mit der einflußreichen konservativen Literatur-Agentin Lucianne Goldberg angefreundet. Diese vertritt Autoren wie den als rassistisch charakterisierten Polizei-Detektiv Mark Fuhrmann aus dem 0. J. Simpson-Prozeß oder die Maklerin Dolly Kyle, die über ein langjähriges Verhältnis mit Clinton schrieb. Agentin Goldberg hat nun alle Mitschnitte von Frau Tripp. Also ein Buch?
Aber nicht doch, wird versichert. Noch nicht, vermutet ein in meinem Haus wohnender Krankenpfleger. Und tippt grinsend auf einen Dollar-Schein. Es gehe in der Welt nur noch ums Geld. Dem Präsidenten traue er aber genauso wenig. Doch kommt für den von unerwarteter Seite erste Hilfe. Newt Gingrich, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses und Anführer im Kreuzzug gegen die Clinton-Regierung, rief zur Ruhe und Besonnenheit auf. Man solle abwarten und erst die Fakten prüfen. Ähnlich äu-ßerte sich Clintons Spinnefeind, der erzkonservative Journalist William Safire, in der »New York Times« völlig überraschend mit einer Unschuldsvermutung: Er traue solch einem gestandenen Politiker so viel Idiotie einfach nicht zu. Und gab den Kollegen von den Medien den Rat, sich um die Weltpolitik zu kümmern.
Doch den rechtzeitig zum Papstbesuch nach Kuba eingereisten Star-Journalisten blieb nichts anderes übrig, als von dort über Clintons Sexleben zu berichten und dann vorzeitig wieder nach Hause zu fliegen. Denn diesmal liegen die Medien geschlossen auf der Lauer. Tag und Nacht. Internationale Nachrichten? Clinton ist die Welt. Mittelpunkt der Reportagen ist die veränderte Strategie im Falle Monica Lewinsky Danach ist nicht der Sex allein verdammenswert. Man wirft dem Präsidenten vor, die Frau zur Leugnung des Verhältnisses und zu einer Falschaussage aufgefordert zu haben. Dieser Akt könnte ihn stürzen. Das sei ja was ganz Neues, meinte mein sich noch immer als Linker bezeichnender Nachbar Dan. Politiker kämen doch nur mit Lügen ins Amt. Mit einer solchen neuen Ethik stünde man bald ganz ohne Regierung da und die Weltmacht USA endlich auch un^ ter offizieller Führung der Konzerne und ihrer Medien.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/696783.bill-clintons-zippergate.html