nd-aktuell.de / 24.02.1998 / Politik / Seite 15

Kartoffelkäfer-

Propaganda

Zum Leserbrief »Kein Propaganda-Trick?« von Martin Wagner (ND 13.2.):

Nach Lektüre des Beitrages »Wenn Fliegen gegen Saddam fliegen« fragt Ihr Leser, ob er nun doch glauben sollte, daß die Amerikaner 1950 Kartoffelkäfer über der DDR abgeworfen haben. Er sollte nicht. Insekten müssen immer wieder zu Propagandazwecken herhalten. Abgesehen davon, daß nie glaubwürdige Indizien dafür erbracht wurden, wäre ein Abwurf sinnlos gewesen, denn der Käfer war ohnehin unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Die damals erzeugte Psychose hatte groteske Folgen. Nicht selten erschienen Volkspolizisten mit irgendwelchen ganz gewöhnlichen Insekten in einschlägigen Instituten, von denen sie womöglich noch glaubten, diese wären pestinfiziert. Vom koreanischen Kriegsschauplatz wurden wir laufend mit Meldungen über pestinfizierte Insekten und für eine biologische Kriegführung völlig ungeeignete Spinnen versorgt. Ob DDR, Korea oder Kuba: Immer wieder wird argumentiert, daß solche Tiere zuvor noch nie gesehen wurden. Aber selbst wenn man 100 oder 200 Insektenarten kennt, bleiben z. B. in Deutschland noch etwa 30 000 weitere, die von den meisten Menschen als unbekannt angesehen werden, wenn sie an ungewohnter Stelle oder in ungewöhnlicher Anzahl auftauchen. Für die erwähnten winzigen Insekten aus der Familie der Gewitterfliegen wüßte ich gerne die Ausbringungstechnologie, die sie in einer Wolke aus dem Flugzeug ausströmen läßt. Das müßten ja Millionen gewesen sein, die erst einmal eingesperrt sein wollen! Bei der Schraubenwurmflie-

ge gibt es zur erwähnten Bekämpfung eine fabrikmäßige Produktion, und das Ausbringen (wenn auch nicht Versprühen) vom Flugzeug aus ist Routine. Aber während damit militärischer Erfolg oder Entmachtung Saddams sicher nicht zu erreichen ist, hätten die Amerikaner diesem ein Mittel geliefert, um den Haß der betroffenen Zivilbevölkerung auf die Amerikaner zu schüren. Und da Irak kaum in der Lage ist, die Fliege in wenigen Jahren hinreichend zu bekämpfen, wird sie über kurz oder lang auch die Nachbarländer erreichen, was sicher nicht im Sinne der Amerikaner wäre.

Prof. Dr. U. Sedlag 16225 Eberswalde