nd-aktuell.de / 26.10.2001 / Kultur
Das Beispiel Vietnam
Antikriegsbewegung vor 30 Jahren in BRD und DDR
Hella Kaeselitz
Manche Publikationen erscheinen zum richtigen Zeitpunkt. Auch der Autor dürfte kaum damit gerechnet haben, dass seine Schrift angesichts der USA-Militärschläge auf Afghanistan, gegen die sich weltweit Widerstand formiert, von solch brennender Aktualität ist. Die Protestbewegung gegen den Krieg der USA in Vietnam war eine »in Breite, Umfang und Intensität einzigartige Antikriegsbewegung«, die fast ein Jahrzehnt andauerte und einen wichtigen Beitrag zur Beendigung des Krieges in Vietnam leistete.
In einer vergleichenden Studie über die Antivietnamkriegsbewegung in beiden deutschen Staaten gelingt es Günter Wernicke auf der Grundlage einschlägiger Quellen, die einzelnen Stationen dieser Protestbewegung - auch in ihrer Wechselwirkung zueinander - detailgetreu und überzeugend nachzuzeichnen, ohne dabei internationale Aspekte zu vernachlässigen.
Ab Mitte der sechziger Jahre entfaltete sich in beiden deutschen Staaten ein breites Bündnis verschiedener Friedens- und Antikriegsorganisationen gegen den Krieg der USA in Vietnam und für Solidarität mit dem vietnamesischen Volk. Zum internationalen Koordinations- und Diskussionsforum wurde die Stockholmer Vietnam-Konferenz. Während sich in der DDR neben dem Friedensrat insbesondere der unter dem Motto »Solidarität hilft siegen« gegründete Vietnam-Ausschuss zum Kristallisationspunkt der Antikriegsbewegung entwickelte, wurde in der Bundesrepublik und Berlin-West die Ostermarschbewegung zum organisatorischen Träger der Proteste gegen den Vietnamkrieg. Wernicke betont, dass sich in der DDR ungeachtet organisierter Protestveranstaltungen und offizieller Propagandakampagnen in den Medien eine »Solidarität von unten« entfaltete, die von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde. Zwischen Führung und Bevölkerung der DDR bestand in dieser Frage ein bemerkenswerter Konsens. Die Solidaritätsleistungen der DDR-Bevölkerung waren immens. Sie summierten sich bis 1975 auf insgesamt 442 Millionen Mark.
Wie der Autor nachweist, erreichte die Antivietnamkriegsbewegung 1968 in beiden deutschen Staaten eine neue Qualität. In der Bundesrepublik verband sie sich mit dem Kampf gegen die Notstandsgesetzgebung und wirkte als Katalysator der immer radikaler agierenden Studentenbewegung. Zu einem Grundproblem innerhalb der pazifistischen Friedensbewegung wurde dabei die Frage der Gewalt und die Haltung zum bewaffneten Befrei-ungskampf. In der DDR erreichte die Solidaritätsbewegung 1968 einen neuen Höhepunkt. Kritisch wird vom Autor vermerkt, dass sich in der Bundesrepublik das antikommunistische Bedrohungssyndrom als Hindernis für ein engeres Zusammenwirken mit der Antivietnam-kriegsbewegung in der DDR erwies, während andererseits der Einmarsch der War-schauer Paktstaaten in der CSSR im August 1968 diese Zusammenarbeit zeitweilig belastete. Ungeachtet dessen erreichte die Bewegung gegen den Vietnamkrieg eine neue Qualität in der Kooperation zwischen Ost und West.
Günter Wernicke: Solidarität hilft siegen!. Zur Solidaritätsbewegung mit Vietnam in beiden deutschen Staaten. Mitte der 60er bis Anfang der 70er Jahre. »hefte zur ddr-geschichte«, Helle Panke e.V., Berlin. 72S., br., 5DM (zu beziehen über den Verein, Kopenhagener Str. 76, 10437 Berlin, Tel./Fax: 030/47538724).
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/7015.das-beispiel-vietnam.html