Eleven der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« sind mit Spielfreude und Können beim Dessauer Weill Fest dabei
Foto: Joachim Fieguth
Es ist wie bei mancher Oper: Den Hit daraus hat jeder parat, aber da gibt es auch noch einen »Rest» drumherum. Wer Weill/Brechts musikalische Produkte mag, der kennt natürlich Bill's Ballhaus in Bilbao oder den Song vom Meer so blau, so blau . . Dank der unverwechselbaren Diseusenstimmen von Lotte Lenya und Gisela May gehören sie mit zum Populärsten aus Kurt Weill's Feder Aber wie man den Nabucco nicht auf den Gefangenenchor reduzieren kann, gehört auch zu diesen Hits ein Stück. Brecht und seine Mitstreiter wollten mit »Happy End« den Geniestreich der »Dreigroschenoper» von 1928 im Folgejahr wiederholen. Für das Bühnen(über-)leben des Stückes war das kein guter Stern.
Beim diesjährigen, nun schon 6. Kurt Weill Fest in Dessau steht diese »Komödie mit Musik» im Mittelpunkt der zahlreichen Veranstaltungen. Den Schwerpunkt bilden die 20er Jahre, also die Zeit der Zusammenarbeit mit Brecht, deren Ergebnisse auch für Weill den dauerhaftesten Erfolg hatten.
Angelica Domröse hat mit ihrer »Happy End»-Inszenierung dem Weill-Fest 1998 einen glänzenden Auftakt verschafft. Die Story aus der Chicagoer Unterwelt, deren Anführer auf wundersame Weise (durch den Einsatz der Heilsarmee und durch die Liebe versteht sich!) geläutert werden, spielt komödienhaft mit dem Sujet. Aber was die Brechtwerkstatt fabriziert hat, lebt durch starke Frauengestalten (Buch: Elisabeth Hauptmann), brillante Songtexte von Bertolt Brecht und Kurt Weills populärer Musik. Das Perso-
nal; die finstere Lady, genannt »Die Fliege», die die schweren Chicagoer Jungs an der Leine führt (mit hochkarätiger Stimmpräsenz: Anika Mauer); der Gauner Bill Cracker- Marke rauhe Schale weiches Herz (Ronald Kukulies). Und dann Lilien Holiday (Nina Hoss), genannt »Hallelujah Lilien», die mit allen Tricks und viel Temperament unter der blauen Uniform des Herrn für das Gute streitet. Es gibt das große Happy-End: Man einigt
sich auf die Moral des Kapitalismus und es wird die berühmte, (rein rhetorische) Frage gestellt, was denn das Ausrauben einer Bank gegen die Gründung einer Bank sei.
Das wird in der Dessauer Marienkirche spritzig und pointiert serviert, da sitzen die Dialoge, sind die Songs gekonnt eingebaut und in Szene gesetzt. Das reine Vergnügen, und das noch mit Hintersinn - eine attraktive kleine Schwester des Mu-
sicals. In dem luftigen und praktikablen Bühnenbild genügt der Schwenk einer Wand um von Bills Bar zur Heilsarmee zu wechseln (Bühne und Licht: Eberhard Kürn). Die Musiker unter Leitung von Uwe Lohse waren durch die transparente Rückwand auch zu sehen, wenn sie ihrem rhythmisch-schmissigen Beitrag lieferten.
Die Domröse bringt die- Eleven von der Berliner Schauspielschule »Ernst Busch» auf Touren und dazu, zu zeigen, was sie können: Eine Mischung aus Komödie, Gesang mit echter Spielfreude zur Unterhaltung des Publikums. Das klingt einfach, ist schwer zu machen und in dem Falle auf angenehm altmodische Weise gelungen. Viel Jubel. Vielleicht gibt es für »Happy End» ja doch noch einen glücklichen Anfang
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/702405.wundersame-laeuterung-der-schweren-jungs.html