nd-aktuell.de / 13.04.2005 / Ratgeber
Müssen Schuppen und Terrassendächer abgerissen werden?
In diesem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Lichtenberg geht es wieder einmal um leidiges, doch sehr aktuelles Kleingartenproblem - müssen Schuppenanbauten und Überdachung eines Laubenvorplatzes abgerissen werden? Nein, sagt das Gericht in diesem Fall (Az. 2 C 315/04). Der Berliner Rechtsanwalt JÜRGEN NAUMANN sandte dem Ratgeber das Urteil.
Die Kläger nutzten seit 1978 die mit einer 49-qm-Laube bebaute Parzelle in einer Kleingartenanlage mit Wissen des Nutzungsberechtigten des Grundstücks, des Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) Berlin-Lichtenberg. Seitdem standen neben der Laube, durch eine Tür verbunden, auch Schuppenanbauten von 30 qm. Außerdem war von Anfang an der Laubenvorplatz überdacht. Erst 1988 schlossen die Kläger mit dem VKSK Lichtenberg einen schriftlichen Kleingarten-Nutzungsvertrag ab. Sie bauten in der Folgezeit Dusche und WC in den Schuppen ein. Im Herbst 2000 ließen die Kläger auf Verlangen des VKSK-Rechtsnachfolgers, des Bezirksverbands Berlin-Lichtenberg der Gartenfreunde e.V., eine Sammelgrube für das Abwasser anlegen.
Im September 2003 kündigten die Kläger den Nutzungsvertrag. Der Gartenfreunde-Verband ließ die Baulichkeiten und Anpflanzungen schätzen und forderte entsprechend dem Gutachten den Abriss der Schuppenanbauten und der Überdachung. Auch in einem zweiten Gutachten vom November 2004 wurde der Abriss verlangt. Die Kläger wiederum behaupten, die Anbauten seien bereits lange vor der Übernahme des Grundstücks 1978 errichtet worden und pochen auf Bestandsschutz nach § 20 a Bundeskleingartengesetz. Vor Gericht verlangten sie, von der Abrissverpflichtung entbunden zu werden oder vom Verband die Abrissaufwendungen ersetzt zu bekommen. Der Verband beantragte, die Klage abzuweisen, da die Anbauten erst zu DDR-Zeiten errichtet worden wären.
Das Amtsgericht hat zu Gunsten der Kläger entschieden. Der beklagte Verband habe keinen Anspruch auf Beseitigung der Anbauten und der Überdachung. Der Anspruch folge weder aus §§546, 581 BGB, aus Bundeskleingartengesetz, Schuldrechtsanpassungsgesetz noch aus Art. 232 Einführungsgesetz zum BGB.
Das Amtsgericht schloss sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an, die auf den Gesamtcharakter der Kleingartenanlage hinweist, der durch die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf maßgeblich geprägt sein soll, nicht durch Wohngärten und dem Bundeskleingartengesetz widersprechende Baulichkeiten. Dafür würde jeglicher Sachvortrag des beklagten Verbands fehlen. Der Beklagte würde auch die Darlegungs- und Beweislast für begründete Tatsachen eines Beseitigungsanpruchs tragen.
Das Gericht geht sogar soweit, auf das Schuldrechtsanpassungsgesetz zu verweisen, das doch nur für gepachtete Wochenendgrundstücke gilt. Danach müssten sich die Kläger bei eigener Kündigung des Pachtverhältnisses nur an den Abrisskosten b e t e i l i g e n. Die Anbauten gelten als nach den Vorschriften der DDR rechtmäßig errichtet, auch wenn die Kläger keine Baugenehmigung nachweisen können. Selbst wenn es Schwarzbauten waren, wurden sie zu DDR-Zeiten nach fünf Jahren legalisiert. Das trifft auch im vorliegenden Fall zu. Über alle Fragen von Kostenbeteiligung an Abrisskosten und auch über mögliche Zahlungsansprüche war laut Gericht in dem Rechtsstreit nicht zu befinden. Auch andere Anspruchsgrundlagen zur Beseitigung der Anbauten sind laut Gericht nicht ersichtlich. Und wieder bezieht es sich auf die Bestandsschutzregelung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.
Die Rechtsprechung durch das Amtsgericht scheint in manchem unklar, weil zum Beispiel Bundeskleingartengesetz und Schuldrechtsanpassungsgesetz miteinander verbunden werden, obwohl sie doch für völlig unterschiedliche Bereiche im Grundstückswesen zuständig sind. Im vorliegenden Falle geht es eindeutig um einen Kleingarten in einer Sparte. Und hier entscheidet das Bundeskleingartengesetz.
Wie wir auf Anfrage erfuhren, ist der beklagte Bezirksverband der Gartenfreunde nicht in Berufung gegangen. Die Probleme aber bleiben: Kleingarten oder Datsche, Abriss von Anbauten oder nicht - oft genug wird versucht, Kleingärten »unterzubuddeln«.
RBL
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/70311.muessen-schuppen-und-terrassendaecher-abgerissen-werden.html