Chávez geißelt USA und Kolumbien

Venezuela gedachte des Putschversuchs vor drei Jahren und bildet Reservearmee

  • Jeroen Kuiper, Caracas
  • Lesedauer: 5 Min.
Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat am Jahrestag der Rückkehr an die Macht 2002 schwere Vorwürfe gegen die USA und Kolumbien erhoben und eine Reservistenarmee aufgestellt.
Intern hat die venezolanische Regierung derzeit angesichts einer schwachen Opposition nichts zu befürchten. Kein Wunder, dass sich das Augenmerk des Präsidenten Hugo Chávez beim Gedenken an den Putsch vom 11 bis 13.April 2002 nach außen richtete. Washington könne nicht ertragen, dass eine Erdölmacht wie Venezuela »frei« sei, sagte Chávez in einer Rede am Mittwoch (Ortszeit) vor Zehntausenden Anhängern in Caracas. Die Bemühungen des USA-Geheimdienstes CIA und des Pentagons zur Destabilisierung des Landes seien »in vollem Gange«, behauptete Chávez. Es sei geplant, die Stimmung anzuheizen, Umfragen zu manipulieren und auf diese Weise rechtzeitig vor der Präsidentschaftswahl 2006 eine Krise herbeizuführen und ihn des Wahlbetrugs zu beschuldigen. Auch der Nachbar Kolumbien bekam sein Fett weg. Es sei »jämmerlich«, dass sich der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe für das »Spiel des Imperialismus gegen Venezuela« hergebe. Seine Regierung werde weiter auf ihrem eigenen »Weg des Sozialismus« voranschreiten. Das Volk werde einen neuen Putschversuch ebenso zurückschlagen wie vor drei Jahren. Dafür steht Venezuela künftig ein neues Mittel zur Verfügung. Zum Schutz vor einer befürchteten USA-Invasion hat Venezuelas Präsident Chávez eine neue Reservistenarmee aufgestellt. Die Truppe werde ausschließlich zur Landesverteidigung eingesetzt, sagte der Staatschef beim öffentlichen Gelöbnis der Reservisten am selben Tag. »Keiner will den Krieg, aber die beste Art, ihn zu vermeiden, ist es, sich auf ihn vorzubereiten.« Die Reservistenarmee soll bis zu 1,5 Millionen Soldaten umfassen. Wer genau vor drei Jahren während des misslungenen Putsches in Venezuela für die 19 Erschießungen verantwortlich war, ist weiterhin unklar. Sowohl die Opposition als auch die Chávez-Anhänger haben ihren eigenen Opferverein. Eigentlich wäre sie eine ganz normale Brücke geblieben, die Puente Llaguno im alten Zentrum von Caracas, wenn nicht vor drei Jahren an diesem Ort 19 Menschen erschossen worden wären. Zwei Tage war Chávez durch den Putsch abgesetzt, um dann durch massive Unterstützung seiner Anhänger wieder an die Macht zurückzukehren. Schon am Montag, dem Putschbeginn, wurden auf der Brücke die Toten von damals geehrt. »Willkommen auf der Brücke der Würde«, steht jetzt in großen Buchstaben auf den Wänden der Wohnblöcke entlang des Bauwerks. An diesem Tag sind außer Kaffeeverkäufern und Straßenhändlern, die Chávez-T-Shirts verkaufen, einige Tausende Leute gekommen, um daran zu erinnern, was vor drei Jahren passierte. »Ich war dabei, als wir, die Chávez-Anhänger, hier auf die Demonstranten der Opposition stießen«, sagt José Mendez, ein Arbeitsloser. »Damals waren wir Millionen auf der Straße, heute sind es nur noch Tausende. Aber gerade deswegen bin ich hier, um zu verhindern, dass vergessen wird, was am 11.April 2001 passierte. Ich habe die Toten gesehen. Und der Opposition in unserem Land ist nicht zu vertrauen. Ein Putsch könnte wieder passieren. Viele in seiner Regierung sind faul, aber Chávez hat gute Ideen. Deswegen würde ich trotz meiner wirtschaftlichen Lage ihn auch jetzt wieder wählen«. Gelegenheit dazu hat er 2006. Kommentar Seite 8 Das würde auch Edgar Tortoza tun, der Vorsitzende von Asovic, dem Verein der Opfer des Putsches. Tortoza verlor beim Putsch seinen Bruder Edgar, der Fotojournalist war. Er wurde als einer der ersten am 11. April erschossen, angeblich von der metropolitanen Polizei in Caracas. `Es ist aber schwer zu beweisen`, sagt Tortoza. `Die Polizei `gehörte` damals dem Oppositionsbürgermeister Pena, der mittlerweile ins Ausland geflüchtet ist. Der hat aber nach dem Putsch die Polizisten geschützt`. Acht Polizisten sind mittlerweile in Haft, aber es wurde noch immer keiner verurteilt. `Es dauert lange, aber es wird Gerechtigkeit geben`, glaubt Tortoza. Sein Verein hat etwa 70 Mitglieder, alle Chávez-Anhänger. `Ein Teil der Leute die damals verletzt wurden, hat mittlerweile Arbeit in einer Kooperative im Präsidentenpalast Miraflores bekommen, ein paar hundert Meter von hier entfernt`, so Tortoza. Andere waren monatelang zur medizinischen Behandlung auf Kuba`. Obwohl er nicht abstreitet dass es auch Tote auf Oppositionsseite gab, repräsentiert seinen Verein nur Chávez-Anhänger. Der Opferverein der Opposition heißt Vive und wird durch Mohamad Merhi geführt, der seinen Sohn bei den Auseinandersetzungen während den Demonstrationen verlor. Für Mehri waren es ganz klar die Chávez-Anhänger, die seinen Sohn erschossen haben. Anders als Tortoza glaubt Mehri aber nicht an Gerechtichkeit im heutigen Venezuela, denn seiner Meinung nach sind die obersten Gerichtshöfe des Landes von Chávez-Anhängern kontrolliert. Trotzdem kämpft auch er weiter für die Aufklärung der Erschießung seines Sohnes, denn `Du kannst nicht einfach Zuhause sitzen und nichts machen, ich kann das gegenüber meiner Familie nicht verantworten`. Die beiden Opfervereine reden nicht miteinander und haben beide ihre eigene Version der Geschehnisse am 11. April. So etwas wie eine Wahrheitskommission mit Mitgliedern von beiden Seiten hat es nie gegeben. So ist der Bruch innerhalb der venezolanischen Gesellschaft auch drei Jahre nach dem Putsch noch meilentief und vorläufig unüberbrückbar. bep510 4 pl 176 vvvvb epd N200504088 Venezuela/USA Venezuelas Präsident Chávez stellt Reservistenarmee auf = Buenos Aires (epd). Zum Schutz vor einer befürchteten US-Invasion hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez eine neue Reservistenarmee aufgestellt. Die Truppe werde ausschließlich zur Landesverteidigung eingesetzt, sagte Chávez am Mittwoch (Ortszeit) beim öffentlichen Gelöbnis der Reservisten. «Keiner will den Krieg, aber die beste Art ihn zu vermeiden ist es, sich auf ihn vorzubereiten.» Die Reservistenarmee soll bis zu 1,5 Millionen Soldaten umfassen. Die Spannungen zwischen Venezuela und den USA hatten in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Regierung in Washington bezeichnet den linkpopulistischen Präsidenten als Sicherheitsrisiko für die Region. Chávez drohte mehrfach damit, Öl-Lieferungen an die USA einzuschränken. Die USA decken rund 25 Prozent ihres Öl-Bedarfs mit Importen aus Venezuela. Chávez kündigte an, er werde Tausende von Zivilisten für die Landesverteidigung ausbilden lassen. Im Kriegsfall müsse die gesamte Bevölkerung mobilisiert werden. Die US-Regierung bestreitet Invasionspläne. Der US-Botschafter in Caracas, William Brownfield, sagte kolumbianischen Medien: «USA haben in Venezuela zwei Jahrhunderte lang nicht interveniert und werden es auch künftig nicht tun.»

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -