nd-aktuell.de / 07.04.1998 / Politik / Seite 2

Im Schatten

Rüdiger Fikentscher (57)

Der Fraktionschef der SPD im Landtag von Sachen-Anhalt wurde gestern als Vorsitzender des SPD-Parteirats wiedergewählt

Foto: dpa

»Sorgen Sie für klare Verhältnisse«, fordert Rüdiger Fikentscher die Sachsen-Anhalter in einer Wahlillustrierten seiner Partei auf. Mit den bestehenden landespolitischen Verhältnissen mußte sich der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende, dem ursprünglich Neigungen zur großen

Koalition nachgesagt wurden, erst anfreunden. Doch nun gilt der 57jährige gelernte HNO-Facharzt als einer jener Anhänger des »Magdeburger Modells«, die eine PDS-tolerierte SPD-Regierung auch dann einem Bündnis mit der CDU vorziehen würden, wenn die Bündnisgrünen den Wiedereinzug in den Landtag verpassen sollten.

Das mag auch daran liegen, daß Fikentscher, der nach eigener Aussage keine Probleme damit hat, im Schatten des Ministerpräsidenten zu stehen, rasch erkannte, welchen Zuwachs an Anerkennung über Sachsen-Anhalt hinaus Regierungschef Höppner durch das funktionierende »Magdeburger Modell« erzielte.

Fikentscher, der gestern als Vorsitzender des Parteirates der SPD einstimmig bestätigt wurde, eines lOOköpflgen beratenden Gemiums vor allem aus Vertretern der SPD-Bezirke, weiß, daß man mehr erreicht, wenn man nicht alles selber machen will. So liefen die Drähte der Verständigung zwischen den Landtagsfraktionen von SPD und PDS in erster Linie über die Parlamentarischen Geschäftsführer.

Zur PDS pflegt Fikentscher ein sachliches Verhältnis, unbeschadet seiner Distanz gegenüber der Partei wegen ihrer SED-Vergangenheit. Doch der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern, der

1989 in die SPD eintrat, macht ebenso keinen Hehl aus seinem Unmut darüber, daß sich die CDU aus ihrer Blockpartei-Vergangenheit davongestohlen habe. Fikentscher gehörte von März bis Oktober

1990 der Volkskammer an und wechselte dann in den Landtag, dessen Vizepräsident er in der ersten Wahlperiode war

Wenn Fikentscher ? nicht im Hintergrund der Landespolitik die Fäden zieht, kümmert er sich gern um Gartenarbeit, sein Familienarchiv, liest oder fährt Fahrrad. Im Moment dürfte dafür nicht viel Zeit bleiben, denn der Sozialdemokrat steht nicht nur als Direktkandidat in Halle im Wahlkampf. An die Umfragen, die die Landes-SPD derzeit schon auf dem Weg Richtung absolute Mehrheit sehen, mag der zurückhaltend und sympathisch wirkende Mann vorsichtshalber noch nicht glauben. Marcel Braumann