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H Selbst Ökonomen

fehlen die Worte Mischung aus Bankenkrise, Deflation und Stagnation Von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 3 Min.

Ganz genau können auch Experten nicht benennen, was in Japans Wirtschaft los ist. Ganz verstohlen taucht bisweilen der Begriff Deflation auf, und das höchste Gremium der »Bank of Japan« beschäftigt sich demnächst mit der Frage: Rezession oder nicht?

Was die Ökonomen so wortkarg macht, ist eine dramatische Mischung aus Bankenkrise, deflationären monetären Signalen und stagnierendem Wirtschaftswachstum. Den Auslöser sieht das Gros der Beobachter im Crash Anfang der 90er Jahre. Immer mehr Kredite waren in den irreal boomenden Immobiliensektor gepumpt worden, bis die spekulative Blase platzte. Davon hat sich Japans Wirtschaft bis heute nicht erholt. Noch immer brechen Finanzinstitute zusammen, die von zahlungsunfähigen Kreditnehmern und fallenden Börsenkursen in die Tiefe gezogen werden. Jüngster Fall ist der Bauflnanzierer Daiichi Corp., dessen von den Hausbanken bereits 1992 gestartete Konsolidierung scheiterte. Mit jeder Pleite wachsen die Probleme der miteinander verflochtenen Branche. Die Verbindlichkeiten im Fall Daiichi belaufen sich auf 450 Milliarden Yen (etwa 6 Milliarden Mark).

Die Krise des Finanzsystems gilt als Kern der derzeitigen Probleme. Da die Banken auf einem Berg fauler Kredite sitzen - er wird auf 15 Prozent der Gesamtsumme geschätzt -, vergeben sie kaum noch neue. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sitzen auf dem Trokkenen. Und in diesem Jahr kürzt auch noch der Staat bei Investitionen und Sub-

ventionen, da die zahlreichen Konjunkturprogramme der letzten Jahre die Schulden der öffentlichen Haushalte explodieren ließen - ihr Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt über 100 Prozent. Jetzt soll versucht werden, über Steuersenkungen Unternehmen zum Investieren, Verbraucher zum Konsumieren zu bewegen.

Die Notenbank bemüht sich seit Jahren, mit Hilfe niedriger Zinsen die Konjunktuf 1 anzukurbeln. Derzeit liegt 'der Diskontsatz bei gerademal 0,5 Prozent. Allerdings haben Unternehmen und Banken in den letzten Jahren lieber in den Tigerstaaten investiert, institutionelle Investoren erwarben Rentenpapiere in den USA. Um dieses Kapital wieder zurückzuholen, müßten die Zinsen steigen. Das aber wäre Gift für die Konjunktur.

Die Regierung in Tokio will nun das Eigenkapital der Kreditinstitute stärken und faule Kredite mehr »sozialisieren«. Diese Maßnahme dürfte indes ebenso verpuffen wie die Programme der letzten Jahre, wenn die Binnenkonjunktur nicht dauerhaft anspringt. Und danach sieht es nicht aus, im Gegenteil: Laut Notenbank ist die Stimmung bei den Unternehmen auf den tiefsten Stand seit 1994 gefallen. Schon im vergangenen Haushaltsjahr (bis 31. März) stagnierte die Wirtschaft entgegen aller Prognosen nahezu (BIP-Wachstum: 0,7 Prozent). Hohe Steigerungsraten wiesen nur die vom fallenden Yen-Kurs unterstützten Exporte auf. Allerdings gehen die Aufträge aus den kriselnden Tigerstaaten bereits stark zurück. Die starke Abhängigkeit von der Nachfrage im Ausland ist deshalb eher ein weiteres Krisensymptom.

Auch unter Experten ist derzeit die Verwirrung groß. Das zeigt sich schon daran, daß selbst harte Monetaristen die Regierung in Tokio auffordern, endlich die Binnennachfrage anzukurbeln.

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