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Polizeireform macht viele Beamte krank

Hotline für Ärger mit dem Probelauf geschaltet Von Rainer Funke

  • Lesedauer: 3 Min.

Knapp zwei Monate nach Start des Probelaufs für die Polizeireform knirscht es an allen Ecken und Enden. Weshalb die Polizeiführung eine Art Nachrichtensperre verhängt hat, wie die Landesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Rolf Taßler, und des Bundes der Kriminalbeamten, Holger Bernsee, gestern mitteilten. Bekanntlich wird in der Direktion Kreuzberg/Neukölln getestet, Schutzpolizisten vermehrt dazu einzusetzen, Kleinkriminalität zu bekämpfen. Die Kripo soll sich intensiver schweren Fällen widmen können.

Nach anfänglichen Problemen mit der PC-Software würden jetzt strukturelle Ungereimtheiten deutlich. Bürger müssen nach dem 110-Ruf oft stundenlang am Tatort auf die Polizei warten, weil der Fall als nicht eilbedürftig eingestuft

wurde. Eine solche Entscheidung ist oftmals schon deswegen mit Fehlern behaftet, weil sich die Anrufer in einer Ausnahmesituation befinden oder es sich um ausländische Bürger handelt, so daß es bei alldem auch noch zu Verständigungsproblemen kommt.

So sei es nicht selten passiert, daß die Straftat in der Polizeizentrale für harmloser gehalten wurde, als sie es war, ein Polizist erst nach einstündigem Fußmarsch am Tatort eintraf, selbiger längst aufgeräumt, Spuren, Opfer und Zeugen verschwunden waren. Die Kripo müsse vieles nachbereiten - eine Folge unzureichender Ausbildung der Schutzpolizisten für die Tatortarbeit, so Bernsee.

Inzwischen wächst laut Taßler der Frust über chaotische Dienstpläne. In der Testdirektion gebe es einen Krankenstand von 30 Prozent. Manchmal ende der Dienst um 22 Uhr, der nächste beginne um 6 Uhr. Bereitschaftspolizisten

müßten tagtäglich im Direktionsbereich Dienst tun, damit alle Aufgaben erledigt werden. Es komme zu viel mehr Bürokratie als vor dem Testlauf. Nicht wenige Leute gingen derweil in die Polizeidirektion nach Köpenick, weil dort ihr Fall sofort bearbeitet werde.

Beide Landesvorsitzenden befürchten, daß der Erfolg des Probelaufes politisch angeordnet und Erfahrungsberichte geschönt werden. Deshalb hat man seit gestern eine Hotline geschaltet. Hier können Bürger und Polizisten unter der Nummer 0800-1101101 kostenfrei Ärger, aber auch gute Erfahrungen mit dem Reformtest loswerden. Man verspricht sich davon ein realeres Bild als das, was Innensenator und Polizeipräsident demnächst zeichnen würden, hieß es.

Die Gewerkschaft der Polizei sprach davon, daß man sich nicht im Probelauf, sondern im chaotischen Vorlauf eines Probelaufes befinde. Wegen fehlender Daten und Fakten könne er nicht gewertet werden. Man gehe davon aus, daß erst Anfang 1999 ein ernsthaftes Ergebnis vorliege. Die GdP werde der Anwendung des Modells in anderen Direktionen nur zustimmen, »wenn Polizeiführung, Senat und Abgeordnetenhaus die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen haben«. Allein für Technik, Fahrzeuge und bauliche Veränderungen müßten zusätzlich 40 bis 50 Millionen Mark bereitgestellt werden.

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