Grausame Geschichte mit Komik: Kira Kirillova als Max und Mario Perncone als Moritz auf dem Schornstein der Witwe Bolte, die Jana Timptner gibt. Maximilian Diednch von der Staatlichen Ballettschule Berlin als Spitz
Foto: Benjamin
So amüsiert habe ich mich bei einer Ballettaufführung selten. Und wie mir ging es den begeisterten Knirpsen und ihren Eltern rechts und links. »Das ist aber kein richtiger Wolf«, ist der Kommentar eines Jungen, als der schwarze Isegrimm auf der Bühne erscheint. Ein bißchen ängstliches Fragen klang aber doch in dem Kommentar mit. Ob nicht doch...?
Zwei Ballette, nicht nur für die Jüngsten, hat die Staatsoper jetzt kreiert. Und man muß das Haus loben, etwas für den Zuschauernachwuchs getan zu haben. Vor allem, weil hier nicht eine Alibiveranstaltung mit möglichst geringem Aufwand zu erleben ist. In der Ausstattung wird Phantasievolles geboten. Und auch der künstlerisch-personelle Aufwand ist beträchtlich. Immerhin wirken das Landesjugendsinfonieorchester unter Sebastian Weigle, Solisten und Ballett der Staatsoper sowie Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin mit.
Sergej Prokofjews bekannte und beliebte »Peter und der Wolf«-Musik nutzte Marek Rozycki für seine Choreographie. Er läßt die Geschichte, von Kurt Conradi als erzählendem Märchenopa unter-
stützt, in einem stilisierten Wald spielen (Bühnenbild und Kostüme Duncan Reusch-Hayler). Darauf bedacht, jede Figur mit einem typischen Bewegungsvokabular auzustatten, kommt es zwar zu recht häufigen Widerholungen, den Spaß der jungen Zuschauer an den lustigen Tiermasken kann's jedoch nicht schmälern. Und zum Tanzstar steigt hier die pummelige Watschelente auf. Spaß verbreiten auch die Jäger, wenn sie mutig wie die sieben Schwaben ausziehen, den Wolf zu fangen. Als Peter ist der Tanzschüler Mirco Kreibich zu erleben. Seinen Part meistert er mit bereits erstaunlicher Bühnensicherheit, wofür er denn auch von Primaballerina Steffi Scherzer und Kammertänzer Oliver Matz viel Beifall bekam.
Die jungen Musikanten vom Landesjugendorchester bewältigten die Prokofjew-Partitur unter Leitung Sebastian Weigles klangschön. Nicht, daß sie die Staatskapelle ablösen könnten, aber manches Berufsorchester hätte schon einige Mühe, dieses Niveau zu erreichen. Was bei der nachfolgenden Musik zu Max und Moritz, aus der Feder Gisbert Näthers, gleichermaßen der Fall war Näther kombinierte liedhafte, rhythmisch akzentuierte und orchestral ausgeformte Passagen geschickt miteinander Torsten Händler
schuf eine das Komische betonende Choreographie. Noch ist diese Tätigkeit für den Tanzsolisten der Lindenoper Nebenberuf. Aber nach diesem und seinem Carmen-Ballett in Chemnitz darf man hoffen, daß sich hier ein Tanzschöpfer entwikkelt, der den permanenten Mangel an guten Choreographen beheben hilft.
Die besonderen Talente von Kira Kirillova (Max) und Mario Perricone (Moritz) nutzt Händler geschickt, hat aber auch» für die übrige Personage viele ori-
ginelle Einfälle parat. Und die zwei toben sich als sympathische Rotznasen nach Herzenslust aus. Selbst Sebastian Weigle ist vor den Streichen der beiden nicht sicher Kurzerhand klaut Max ihm den Dirigentenstab und übernimmt die Leitung des Orchesters. Da klingt's dann doch chaotisch aus dem Graben. Gelegenheit für Weigle, sich derweil auf der Bühne mit Tanzschritten zu üben. Torsten Händler hat es mit Geschick verstanden, die der Geschichte durchaus in-
newohnende Grausamkeit - denn so recht erheiternd ist es ja nicht, gebacken und geschrotet zu werden - zu mildern. Denn im Finale springen wieder alle munter auf der Bühne herum.
Als Rezitatoren der Buschverse dürfen sich die Tänzer Barbara Schroeder und Jörg Lucas, letzterer sogar auch als mit angenehmen Timbre ausgestatteter Sänger, betätigen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/712775.sympathische-strolche.html