nd-aktuell.de / 19.06.1998 / Politik / Seite 14

Teilung sollte dauerhaft werden

Währungsexperte Reimann: Praxis widerlegte Planer

Günter Reimann (94)

lebt in New York. Als Begründer der weltweit tätigen Agentur »International Reports on Finance and Currencies«, die er 1983 an die Londoner »Financial Times« verkaufte, sowie als Autor zahlreicher Artikel und Fachbücher hat er sich weltweit einen Namen als Finanz- und Währungsspezialist gemacht. In den 20er Jahren war er Redakteur der »Roten Fahne« 1933 gründete er eine unabhängige Widerstandsgruppe in Deutschland, bis er über Paris und London 1938 in die USA emigrierte.

den größten Erfahrungen mit Inflation und bei der Zerstörung einer Währung. Zweimal - nach den beiden Weltkriegen - haben die Deutschen erlebt, daß ihrer Währung vollkommen zerstört wurde. Im Unterschied zu England, Frankreich und Amerika haben dabei in Deutschland die Menschen alle ihre gesparten Gelder verloren. Das ist eine historische Erfahrung, die großes Gewicht im Denken der Menschen hat.

? Dennoch verbanden sich 1990 mit der Währungsunion und der D-Mark für die Menschen in der DDR große Hoffnungen. Nunmehr ist bei vielen Ernüchterung eingetreten. Wurde hier währungspolitisch optimal gehandelt?

Zunächst muß ich dazu sagen, die D-Mark war ursprünglich nur für den westlichen Landesteil vorgesehen. Man erwartete die Erhaltung der Teilung Deutschlands. Daß das dann so nicht möglich war, war nicht geplant. Hier haben die Verhältnisse gegen die Planer revoltiert. Die Mark mußte zu einer nationalen Währung werden. Was erfolgte, war politisch motiviert gewesen. Der damalige Umtauschkurs war ausschließlich politisch begründet.

? Würden Sie darin aus heutiger Sicht einen Fehler sehen?

Ja, aber ein anderer Umtauschkurs wäre seinerzeit politisch nicht durchzuhalten gewesen. Die Währungsunion war .eine politische Notwendigkeit. In der

durchgeführten Form war sie eine politisch-opportunistische Entscheidung. Wirtschaftlich bedeutete sie für viele ostdeutsche Unternehmen, daß sie über Nacht mit einer Währung konfrontiert waren, die aus der Sicht ihrer Wettbewerbssituation völlig überbewertet war

? Die derzeitigen Feierlichkeiten finden zu einer Zeit statt, in der die Geschichte der Mark bereits besiegelt ist. Man verspricht, der Euro wird ihr an Güte zumindest ebenbürtig sein. Wie realistisch ist die Vision?

Der Plan, die D-Mark durch den Euro zu ersetzen, enthält eine Lüge. Wenn der Euro tatsächlich so hart wird wie die Mark, dann wäre es unsinnig, sie aufzugeben. Der Vorgang bedeutet eine versteckte Abwertung der D-Mark.

? Ist das der Grund für die vielfache deutsche Skepsis gegenüber dem Euro?

Natürlich. Zur Beruhigung ihrer Ängste sagt man den Skeptikern heute immer wieder, daß der Euro stärker sein wird als die alte Währung. Tatsächlich aber ist eine versteckte Abwertung gegenüber der alten D-Mark geplant. Es ist durchaus möglich, daß sich die Abwertung auf etwa 5 oder 10 Prozent begrenzen läßt. Und wenn das geplant ist, ist eine Flucht aus dem Euro in den Dollar zu erwarten. In diesem Falle wäre die freie Bewegung der Währungen gefährdet. Und zu ihrer Verteidigung ist eine Erhöhung der Zinssätze zu erwarten.

Ich vermute, dieser Mechnismus ist den Vätern des Euro bekannt. Sie wollen aber nicht zugeben, daß eine Abwertung vorgesehen ist. Wer so etwas plant, muß es leugnen, um die Abwertung in Schranken halten zu können. Das wäre aber nicht möglich, wenn die Abwertung allgemein erwartet wird. Es würde sich der bereits erwähnte Mechanismus durchsetzen. Denn wer im Besitz einer schwachen Währung ist, wird sie in die stärkere konvertieren wollen. Im Land mit der schwachen Währung entsteht eine Liquiditätskrise, während ihr Gegenteil das Land des harten Geldes belastet. Im letzteren werden in der Folge die Zinsen sinken, im ersteren steigen. Die Experten der Bundesbank wissen das, müssen aber ihre Überzeugung verbergen.

? Wissen das auch die Politiker?

Die Politiker wissen das sicher nicht. Sie werden die freien Marktkräfte beschuldigen, gegen die starke Währung zu konspirieren. Sie aber selber sind die Konspiranten. Auch wenn sie das nicht wissen. Wer den Euro heute schon als Erfolg feiert, der redet über etwas, was erst noch überprüft werden muß. Er will gewissermaßen die Meinung beeinflussen, damit der Gefahr widerstanden wird, vom Euro in den Dollar hineinzugehen. Dies könnte man aber nur verhindern, wenn die Konvertibilität des Dollar aufgehoben wird. Dann ist alles gut.

Fragen: Dieter Janke