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Muß VW unmoralisch handeln?

Konzernspitze feilscht um Ansprüche von 30 Juden Von Claus Dümde

  • Lesedauer: 2 Min.

Gerhard Schröder, Ministerpräsident an der Leine und SPD-Kanzlerkandidat, handelte wieder mal so, wie das Aktionäre von ihren Aufsichtsräten erwarten. Nämlich nach der Devise: Was gut für VW ist, ist auch gut für Deutschland. Also kündigte er diese Woche in Hannover an, eine von ihm geführte Bundesregierung werde zur Entschädigung von noch lebenden Zwangsarbeitern in Nazi-Deutschland einen Fonds schaffen, in den die Firmen einzahlen sollen, die davon profitiert haben.

Hat sich Schröder im auf platten Schlagabtausch reduzierten »Lagerwahlkampf« ä la Hintze erlaubt, einen Kontrapunkt zu setzen, indem er sich einem Thema annimmt, das »christliche« wie »sozialliberale« Regierungen fast ein halbes Jahrhundert beharrlich ignorierten? Objektiv ja, doch das Motiv mag weniger hehr sein. Denn VW, in dessen Aufsichtsrat Schröder sitzt, droht eine Klage von 30 Juden aus den USA, die der Nazi-Musterbetrieb wie Tausende andere bei der SS als Zwangsarbeiter geordert hatte. 4000 Mark fordern sie als Nachzahlung für entgangenen Lohn pro Monat. Angesichts heutiger Tarife und Lebenshaltungskosten, angesichts der Schinderei, der Todesangst und Lebensgefahr, der sie ausgesetzt waren, ist das nicht zuviel verlangt.

Doch der VW-Vorstand weigert sich nicht nur, seine Pflicht zur Wiedergutmachung anzuerkennen. Auch Verhandlungen über einen außergerichtlichen Vergleich stocken seit langem. Die Herren Piech & Co., die ohne Zögern Milliarden rauswerfen, um sich bar wirtschaftlicher Vernunft mit Nobelmarken wie Rolls Royce, Bentley, Lamborghini zu schmücken, erklären eiskalt, sie seien zur Zahlung nicht verpflichtet. Denn die Volkswagen AG sei mit der per Hitler-Befehl gegründeten GmbH nicht identisch. Zahlen müsse, wenn überhaupt, die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des Nazireichs, also letztlich der Steuerzahler.

Das ging selbst Niedersachsens Landtagspräsident Rolf Wernstedt (SPD) über die Hutschnur' VW sei nicht nur in einer moralischen Schuld, sagte er: »Wer auf den Weltmarkt will, der muß auch ein Mindestmaß an Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte haben ...«

Muß? VW-Vorstand Klaus Kocks blockte eiskalt ab. Was Aufsichtsrat Schröder geäußert habe, sei »ein erwägenswerter Vorschlag, aber eine politische Entscheidung«. Eine direkte Entschädigung der wenigen überlebenden Zwangsarbeiter lehnte er erneut ab. VW könne als Aktiengesellschaft nicht anders handeln. Stimmt. Da geht's nämlich nicht um Moral, sondern nur um Maximalprofit für die Aktionäre, auf neudeutsch »shareholder value«. Kam deshalb Aufsichtsrat Schröder auf die Idee mit dem Fonds?

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