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  • Politik
  • “..... mimiu Noch drei Hürden

für die SPD bis zum Sieg

Erste Hürde: Wie bekomme ich Koalitionspartner? / Zweite: Wie schaffe ich Vertrauen beim Wähler? / Dritte: Wie halte ich's mit der PDS?

  • Lesedauer: 5 Min.

Von Klaus-Peter Schöppner

entschlossenheit der derzeitigen SPD-Anhänger. Gerade mal die Hälfte ihrer 41 Prozent gelten als »sichere« Wähler. 9 Prozent sind kaum gebunden, die letzten 10 Prozent völlig ungebunden - damit noch offen für alles. Die Anhängerschaft der Union ist zwar kleiner, steht dafür aber wie eine Eiche hinter CDU/CSU. 31 Prozent sind sichere Wähler, 3 Prozent kaum gebunden, gleich wenige völlig ungebunden. Die Union hat bereits verloren, was zu verlieren, die SPD gewonnen, was zu gewinnen war.

Dabei vermittelt auch die SPD nicht den Eindruck, ein wirklicher Hoffnungsträger zu sein. Nur 31 Prozent erwarten einen Aufbruchsruck nach der Wahl, zwei von drei aber befürchten, daß letztlich doch alles beim alten bleibt, egal, wer nach dem 27 September regiert. Selbst unter den SPD-Wählern erwarten nur 40 Prozent bessere Politzeiten.

Nie zuvor war unvorhersehbarer, was nach der Wahl kommt. In diesem Wahlkampf geht es längst nicht mehr um links oder rechts. Nicht mehr darum, was konservativ, sozial oder liberal ist. Wahlaussagen sind inzwischen wie die »Bild-Zeitung«. Argumentiert wird nach täglich wechselnden »In and Out«-Listen: Tempo 100, Autobahngebühr, Reichen- oder Mindeststeuer. Bei jeder Partei ist längst für alle etwas dabei.

Das Minimalziel ist, daß überhaupt etwas passiert. Das ist der Grund, daß ziemlich konstant zwei Drittel der Wähler eine neue Regierung wollen, am liebsten die große Koalition. 37 Prozent glauben, daß Union und SPD die anstehenden Probleme am besten lösen könnten. 27 Prozent trauen das am ehesten Rot-Grün zu. Nur 20 Prozent christliberal. Mit einer Zusammenarbeit mit der PDS, in welcher Form auch immer, rechnet gerade mal jeder Fünfte. Doch die vom Wähler geliebte Elefanten-

Koalition ist bei den Politikern eher ein Feindbild. Die von ihnen stets und stetig geäußerte Abneigung bewirkt nun, daß das Zutrauen auch beim Wähler inzwischen verblaßt. Vor einem Monat glaubten noch 54 Prozent, Union plus SPD könnten die anstehenden Probleme am besten lösen. Jetzt sind es nur noch 37 Prozent. Die Alternativen haben dagegen zugelegt: Rot-Grün von 23 auf 25 Prozent. CDU/CSU/FDP sogar von 11 auf 20 Prozent.

Mitten in der Sommerpause geht die Zufriedenheit mit der Regierung langsam wieder bergauf, zuletzt von 31 auf 34 Prozent, das Zutrauen in die Opposition, im Siegesfalle die bessere Politik zu machen, langsam bergab, seit Mai von 34 auf 29 Prozent. Im Herbst letzten Jahres begann der Siegeszug der SPD durch die ständigen Fehler der CDU. Jetzt legt die Union nicht wegen besserer Politik zu, sondern weil sich den Genossen auf ihrem Weg zur ersten Kanzlerschaft seit 16 Jahren drei letzte Hürden in den Weg stellen: Wie bekomme ich einen Koalitionspartner, wie komme ich an das Vertrauen der Wähler? Und wie halte ich es mit der PDS?

Denn die grüne Politik der ausgesuchten Fettnäpfchen stellt Rot-Grün grundsätzlich in Frage. Nicht ohne Grund nähert sich die Okopartei bedrohlich dem parlamentarischen Existenzminimum. Denn bei Auto, Urlaub und Geld hört bei uns nun mal jeder Spa'ß auf. Ihre Forderungen werden von 60 Prozent der Wähler als überzogen und fern jeder Realität eingestuft. So daß viele nun Bauchschmerzen bekommen, sich eine sozialökologische Regierung vorzustellen. 66 Prozent halten die Grünen für nicht regierungsfähig. Und 40 Prozent sehen bereits die Gefahr, daß sie in zwei Monaten gar an der 5 Prozent-Marge scheitern.

Lange Zeit glaubten die Grünen, ihre Attraktivität sei ein Naturgesetz. Das ging solange gut, wie die SPD am Boden lag.

Da waren sie die Opposition, und Medienstar Fischer der eigentliche Oppositionsführer. Doch jetzt zieht Schröder im Westen geschickt alle Aufmerksamkeit auf sich. Im Osten verlieren die Grünen an die Protest- und Kümmererpartei PDS. 46 Prozent halten die Grünen bereits für entbehrlich, weil sie glauben, daß die anderen Parteien deren Hauptanliegen bereits übernommen haben. Bündnisgrün hat immer nach nicht den Sprung von einer Problembenennungs- zur Problemlösungspartei geschafft. Immer wieder gibt es Belege für deren »Nein, wir haben nicht verstanden«.

Das zweite SPD-Problem: Was immer sie kundtut, alles bestärkt die Wähler nur in ihrem »Nichts genaues weiß man nicht«. Statt klarer Perspektiven gibt es bei ihr Zukunft für alle. Alle sind bereit und keiner kommt zu kurz. Für jeden ist somit viel Platz für eigene Vorstellungen von dem, was bei einem rotgrünen Wahlsieg passiert. Das weckt zwar Hoffnung, doch gewählt wird Klarheit.

Beispiel Steuerreform: Immer erwarten etwa gleich viele, daß die rotgrünen Ideen umgesetzt werden - oder auch nicht. 46 Prozent der Wähler rechnen zum Beispiel im Fall eines SPD-Sieges mit der Ökosteuer, 50 Prozent nicht. 53 Prozent erwarten dann die Sondersteuer für Reiche, 44 eben nicht. Und wird der Spitzensteuersatz merklich gesenkt? Da sagen 52 Prozent bei einer von der SPD geführten Regierung ja, aber 43 Prozent eben auch nein.

Kaum anders sieht es aus, wenn die Wähler ihre Erwartungen zur Wirtschafts-, Verkehrs-, Sicherheits- oder Ausländerpolitik verraten. Niemand weiß, was sie mit einer Stimme für die Sozialdemokratie wählen, die Arbeiter-SPD? Die Schröder-Stollmann-Partei? Rot-Grün oder gar die Kooperation mit der PDS?

Gerade die hat nun - dritte Hürde nach der von SPD-Bundesgeschäftsführer

Müntefering geäußerten grundsätzlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der PDS im Osten einen neuen Schub bekommen. Vor allem bei den PDS-Wählern selbst. Gerade noch jeder fünfte von ihnen möchte auch nach den Wahlen noch in der Opposition bleiben. Ebenso viele könnten sich eine SPD-Duldung vorstellen. Doch 60 Prozent verlangen inzwischen von der PDS, in einer Koalition mit der SPD ihre politische Duftmarke zu setzen.

Egal, welche Zusammenarbeit die SPD nach einer erfolgreichen Wahl präferiert, die Meßlatte hängt wieder höher

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