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Kreis gefordert, Dreieck gezeichnet

Jeder zehnte ABC-Schütze ist nicht einschulbar Von Jan-Cesar Woicke

  • Lesedauer: 2 Min.

Vor der Schule steht die Einschulungsuntersuchung. Für viele Berliner ABC-Schützen eine seit langem schwer zu knackende Nuß. Mehr als jeder zehnte potentielle Schulanfänger muß jedes Jahr aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Verhaltensstörungen in die Warteschleife, wie Almuth Draeger von der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport auf ND-Nachfrage bestätigte. Die Hauptstadt nimmt damit unter den Bundesländern eine traurige Spitzenposition ein. Medienberichten zufolge soll die Quote dieses Jahr in einigen Problemstadtteilen gar bei 20 Prozent liegen.

Besonders traurig sieht es danach in den Bezirken mit hohem Ausländeranteil

aus. In Neukölln endeten 471 von 3680 Karrieren (12, 8 Prozent) zunächst beim Schularzt. »Viele Kinder wissen nicht, wo rechts oder links ist«, beschrieb die Leitende Kinderärztin Kreuzbergs, Bärbel Wiemann, die Situation. Rot werde mit Grün verwechselt und statt des geforderten Kreises ein Dreieck gezeichnet. Solche »gravierenden Entwicklungshemmungen« lassen derzeit eine Einschulung nicht zu. Aber auch Sehfehler, Sprachstörungen,.Hauterkrankungen und Übergewicht wurden als Gründe für verweigerte Einschulungen genannt.

Woran es liegt, daß Berlin offenbar die Hauptstadt bei Zurückstellungen ist, läßt sich nur spekulieren. Dietrich Gundert vom Neuköllner Kindergesundheitsdienst klagte, daß »Fernsehen, Gameboys und Computerspiele Kinder zunehmend

kommunikationsunfähig machen«. Hinzu kämen »Integrationsprobleme« ausländischer Familien. Die allgemeine Sparpolitik erschwere es zudem, Verhaltensstörungen frühzeitig zu erkennen.

Peter Heyer vom Vorstand des Grundschulverbandes nannte als Grund für die hohe Quote gegenüber der »taz« unter anderem ein »ungünstiges Entwicklungsklima« aufgrund von Arbeitslosigkeit. Er fordere daher eine generelle Abschaffung der Einschulungsuntersuchung. Die sei »ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört«. Es sei der falsche Weg, Kinder schulfähig machen zu wollen. Vielmehr müßten die Schulen kindgerecht werden.

Draeger räumte ein, daß vermutlich ein Großteil der Zurückstellungen darauf beruht, daß Eltern ihre Kinder ein Jahr länger zu Hause behalten wollen. Wer seinen Schützling zu unrecht für nicht reif genug befunden halte, habe selbstverständlich die Möglichkeit, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen. Förderlich wäre es, so Draeger weiter, wenn mehr Eltern ihren Söhnen und Töchtern einen Kita- und Vorschulbesuch ermöglichen würden. Viel wäre aber schon erreicht, wenn Mütter und Väter einfach mehr Zeit in ihre Kinder investierten, so ihr Wunsch.

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